Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Gesang von Liebe und Hass

Titel: Der Gesang von Liebe und Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordes Alexandra + Horbach Michael
Vom Netzwerk:
dem Tanzparkett, und die Mädchen kicherten über meine linkische Art. Und so ist es nie dazu gekommen, daß ich mir ein Mädchen richtig zur Frau wünschte. Bis auf Agostina. Aber sie ist tot. Und ich habe sie noch nicht einmal in die Arme genommen.
    Maria Christina lachte leise.
    »Was ist?«
    »Du machst ein ganz trauriges Gesicht und ißt dennoch die Reste von Brenskis Teller auf.«
    El Corazón schaute verblüfft. »Ah, da hast du recht!«
    Jetzt lachten sie beide. El Corazón nahm schnell Maria Christinas Hand und küßte sie. »Ich danke dir!«
    »Wofür?«
    »Daß du gelacht hast. Daß du wieder lachen kannst. Ich danke, und ich bin ein ganz ungläubiger Hund, aber ich danke dem Heiland, daß er das getan hat.«
    »Sí«, sagte Maria Christina. »Nur er hat es getan. Und meine Gedanken an die selige Mutter Teresa, die Gründerin unseres Ordens.«
    Neugierig sah El Corazón sie an. »Sag mal, wie ist das eigentlich in einem solchen Orden? Ihr bekommt doch täglich Peitschenhiebe und schlaft in eurem eigenen Sarg, und euer schönes Kopfhaar wird auch abgeschnitten und der Schädel kahlgeschoren …«
    Maria Christina lachte wieder leise. »Das ist der übliche Unsinn, der über die Orden verbreitet wird. Ja, ich glaubte auch solche Dinge, ehe ich Novizin wurde. Ich hatte solche Angst, als meine Mutter mich ins Kloster brachte. Ja, ich fürchtete mich sehr. Es war mir, als sollte ich lebendig begraben werden, in einer Gruft leben, niemals mehr die Sonne und den Mond und die Sterne sehen. Niemals mehr, wie die Erde zu neuem Leben erwacht, im Frühling, niemals mehr das leuchtende Blau und Gelb und Weiß der Iris, die selbst auf dem kärgsten Boden unserer Finca blühten. Aber dann …«, sie blickte auf ihre Hände, die damals so weiß gewesen waren, stets gepflegt mit Mandelmilch und jetzt braun und nicht mehr schlank, sondern dürr waren wie die eines Bauernmädchens.
    »Was war dann?« fragte El Corazón.
    »Nach einer Weile fand ich im Kloster einen großen Frieden, wie es ihn sonst wohl nirgendwo auf der Welt gibt. Alle Geräusche, alle Laute waren gedämpft, alles schien einen matten, goldenen Schein zu haben.«
    »Das kam bestimmt von den vielen Kerzen, die ihr immer angezündet habt.«
    »Ja, es kam von den Kerzen, aber es kam auch aus den Steinen des Klosters selbst. Und aus der Erde und aus dem Himmel.«
    »Jetzt schwärmst du«, sagte El Corazón, »ich habe immer gedacht, du warst froh, dem Kloster entkommen zu sein.«
    »Ich war es eine Weile lang, weil ich –«, sie suchte nach den richtigen Worten, »weil ich spürte, daß ich nicht ausersehen war, dort ewig zu leben. Denn ich konnte nicht immer den Frieden und die Freundlichkeit empfinden wie die anderen, ich konnte nicht immer lächeln, und ich konnte mich nicht immer ohne den geringsten Widerspruch der Mutter Superior fügen. Ich meine, selbst in meinen Gedanken nicht. Aber wer dazu ausersehen ist, für den ist es ein gutes Leben im Kloster. Es ist ein einfaches Leben, aber es ist ein gutes.«
    »Du könntest zurück in ein Kloster, wenn du es wolltest.«
    Sie hob den Kopf. In ihren Augen las El Corazón eine dunkle und sehnsüchtige Trauer.
    »Du weißt wie ich, daß ich besudelt bin. Jeder weiß es. Und am meisten Brenski.«
    »Aber dein Gott vergibt doch alle Sünden.«
    »Ist er nicht auch dein Gott?«
    »Seit meiner Mutter Tod nicht mehr«, sagte El Corazón finster.
    Er zog seine Hände vom Tisch, damit Maria Christina nicht sehen sollte, wie sie zitterten.
    »Wie soll ich dich trösten?« fragte Maria Christina. »Wie kann ich dir helfen, mein Bruder?«
    Er hielt eine Weile die Augen geschlossen, dann sah er Maria Christina voll an.
    »Bete für uns«, sagte er. »Wenn du es noch kannst. Bete für uns alle. Bete auch für Brenski und vergib ihm, wenn er Falsches sagt oder tut. Und erzähle mir noch ein wenig von deinem friedlichen Leben im Kloster.«
    »Morgens wurden wir früh durch die Glocke geweckt, zum Morgengebet, dann nahmen wir Novizinnen alle gemeinsam unser Frühstück ein, und die Novizenmeisterin teilte uns unsere Arbeit für den Tag zu. Ich durfte oft im Garten arbeiten, und es gelang mir, eine kleine Nelkenart zu züchten, die bis tief in den Winter hinein blühte. Meine Mitschwestern nannten sie Schneesterne.«
    »Die hätte ich gern gesehen«, sagte El Corazón. »Mir ist, als hätte ich schon seit Jahrzehnten keine Blumen mehr gesehen.«
    »Es stehen welche vor dir auf dem Tisch«, sagte Maria Christina und nahm aus

Weitere Kostenlose Bücher