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Der Gesang von Liebe und Hass

Titel: Der Gesang von Liebe und Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordes Alexandra + Horbach Michael
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Doña Verona: »Das sind die Kinder, mi madre.«
    »Und wo ist der andere, auf dessen Kopf so viel Geld steht?« Die Augen Doña Veronas blinzelten listig.
    »Der ist im Nebenzimmer«, sagte Brenski. »Er labt sich gerade an den letzten Siegesmeldungen Francisco Francos.«
    »Du sprichst fließend Spanisch, aber vom Akzent her höre ich, daß du ein Alemán sein mußt.«
    »Sí, Señora.«
    »Was hast du in Spanien zu suchen?«
    »Ich kämpfe für die Freiheit, Doña Verona.«
    »Papperlapapp.« Sie schlug ihren altmodischen Elfenbeinfächer auf, bewegte ihn zornig blitzschnell vor ihren weißgepuderten Wangen. »Das sagen alle, Franco und die Roten in Madrid, Hitler und Stalin und Mussolini, alle wollen sie für die Freiheit kämpfen. Warum hat man uns nicht in Ruhe gelassen?«
    »Weil Sie zu lange in Ruhe leben wollten, Señora, und weil Sie nicht die Realitäten in der Welt um sich her gesehen haben. Hätten Sie alle sich früher darauf besonnen, daß man die Kluft zwischen reich und arm, zwischen den Startmöglichkeiten armer Kinder und denen der Reichen, überbrücken muß, die schroffen Gegensätze der Klassen …«
    »Das ist kommunistisches Gefasel. Das kann ich jeden Abend im Radio hören, wenn ich Lust dazu habe.« Doña Verona unterbrach Brenski, wie eine ungeduldige Lehrerin einen schwafelnden Schüler unterbricht. »Ich gebe zu, daß Spanien zu lange an seinen Traditionen gehangen hat, aber ist das ein Grund dafür, daß die Menschen sich gegenseitig abschlachten, der Bruder den Bruder tötet wie Kain den Abel? Und da mischt ihr euch auch noch ein und wollt uns das Bessere lehren. Hätte man uns in Ruhe gelassen, dann hätten wir schon einen Weg gefunden zu der ›neuen Gesellschaft‹, von der immer die Rede ist. Aber genug dieses politischen Geschwätzes.« Sie wandte sich an Maria Christina.
    »Du mußt müde sein, mein Kind. Wir werden dich jetzt allein lassen. Es besteht keine Gefahr mehr.« Sie stellte das Tablett, das Manuelo ihr reichte – Teekanne, Zuckernapf und Tasse –, auf den Nachttisch. »Trink das, und du wirst gut schlafen. Schlafe diese Nacht ohne Angst, und morgen sehen wir weiter. Die beiden Männer schlafen nebenan.«
    »Sie ist meine Frau! Ich bleibe bei ihr!« sagte Brenski.
    »Tu, was die Doña dir sagt«, sagte Maria Christina, ohne ihn anzusehen.
    »Hinaus mit euch!« befahl Doña Verona, und ihr Sohn und Brenski verließen das Zimmer. Doña Verona schloß die Tür.
    »Leg dich hin, mein Kind«, sagte sie zu Maria Christina. »Und wenn du willst, kannst du mir alles erzählen.«
    Wo sollte sie anfangen. Wie? Sie wußte, daß sie bei dieser alten Frau die Möglichkeit hatte, im Gespräch sich über vieles klar zu werden. Vor allem über das, was geschehen war. Nur Frauen konnten miteinander darüber reden. Mit Brenski würde sie nie darüber sprechen können, weil es seinen Haß immer wieder anfachen würde.
    »Du kannst aber auch schlafen, wenn du willst«, sagte Doña Verona.
    »Ich möchte sprechen. Ich möchte es ja, aber ich weiß nicht, ob ich es kann.«
    »Du darfst Vertrauen zu mir haben.«
    »Das wußte ich, Mama Verona, vom ersten Augenblick an, als ich euch in der Tür stehen sah.«
    Als Maria Christina noch ein Kind war, hatte man sie gelehrt, allen Fremden gegenüber mißtrauisch zu sein, ja, niemandem außerhalb der Familie zu vertrauen.
    Aber seit sie aus dem Kloster entkommen war, hatte sie vielen Menschen vertraut, und es war ganz natürlich geschehen, ohne ihr Dazutun; sie hatte sich nicht dazu zwingen müssen, weil es einfache Menschen waren mit einfachen Gedanken.
    »Brenski ist nicht mein Mann«, sagte sie.
    Die alte Frau blickte sie aufmerksam an.
    »Er hätte es werden können, wenn, wenn nicht andere Männer mir Gewalt angetan hätten. Sie haben mich gezwungen, sie haben mich geschlagen, ich habe mich gewehrt, aber es hat nichts genützt.« Sie zog die Bluse an ihrem Hals auseinander, entblößte die Wunde, die wulstig vernarbte.
    »Immer wenn ich in den Spiegel schaue, werde ich daran erinnert. Niemals werde ich vergessen können – und er auch nicht. Deswegen ist es besser, er haßt mich.«
    »Er haßt dich nicht. Er leidet um dich.«
    »Er soll mich hassen. Ich will, daß er mich haßt.« Sie saß steif aufgerichtet. »Er soll mich verlassen. Ich will ihn nicht mehr sehen. Ich darf ihn nicht mehr sehen.«
    »Du darfst dich nicht verhärten«, sagte die alte Frau. »Du darfst nicht an der Liebe zweifeln, denn wie solltest du dann ein gutes Leben

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