Der Geschichtenverkäufer
Chuquicamata und sechzehn in Paris.
Die Mehrzahl der Überlebenden also wohnt in mehr oder weniger isolierten Gegenden wie Tibet, Alaska, Spitzbergen und einer kleinen Insel im Indischen Ozean, das könnte natürlich ein Hinweis darauf sein, daß sie mit dem Virus nie in Berührung gekommen sind. Wenn wir andererseits jedoch auch in Madrid, London und Paris eine Handvoll Überlebender finden, dann müssen wir es für wahrscheinlich halten, daß diese letzteren ein wirksames Arzneimittel erhalten haben. Es wäre außerdem möglich, daß noch weitere Menschengruppen existieren, die sich bei der Weltgemeinschaft nur noch nicht gemeldet haben. Es könnte sogar das eine oder andere isolierte Einzelindividuum geben (das möglicherweise im Laufe der Romanhandlung ausfindig gemacht wird). Die Überlebenden nennen das Virus, das fast die gesamte Menschheit ausgerottet hat, »Rache des Amazonas«, denn es wird mit der wahnwitzigen Vernichtung des Regenwaldes in Verbindung gebracht. Jetzt ist der Mensch zu einer bedrohten Spezies geworden.
Die fachlichen und intellektuellen Ressourcen der Überlebenden sind begrenzt. Es gibt insgesamt acht Ärzte, darunter ein Neurologe, ein Herzspezialist und ein Gynäkologe. In Paris wohnt eine fünfundachtzigjährige Frau, die vor der Epidemie zu den bedeutendsten Mikrobiologinnen der Welt gehörte und heute die einzige ist. In Alaska lebt ein ehemaliger Professor für Astronomie, auf Spitzbergen finden wir einen Glaziologen und nicht weniger als vier Geologen, zu denen auch ein hervorragender Paläontologe gehört.
Nach einer Quarantänezeit von dreißig Jahren, in denen es zwischen den Kolonien keinerlei physischen Kontakt gegeben hat, kommen die Fachleute überein, daß die Welt für Wanderungsbewegungen wieder geöffnet werden kann. Alaska, Spitzbergen und Tibet könnten die Isolation zwei oder drei Generationen lang durchhalten; will man negative Folgen der Inzucht verhindern, brauchen die Menschen in den kleineren Kolonien jedoch dringend frisches Blut von außerhalb ihrer Reservate. Aus London hören wir von einem verzweifelten Vater, der sich genötigt sah, seine eigene Tochter zu schwängern, um die Kolonie vor dem Aussterben zu bewahren.
Große Teile des Straßennetzes auf der Welt sind weiterhin intakt, und es gibt einige hundert Millionen Autos, von denen viele noch fahrtüchtig sein müssen. Auf den Flugplätzen in aller Welt stehen Tausende startbereiter Flugzeuge. Die kleine Menschheit besitzt außerdem unbegrenzte Benzinvorräte, doch gibt es nur einen einzigen überlebenden Flugzeugtechniker, der in Tibet lebt, und nur zwei Piloten, einen in Alaska und einen in der Stadt Longyearbyen auf Spitzbergen. Satellitenbilder zeigen, daß einige Städte verbrannt sind, die meisten aber sind seit dem Aussterben der Menschen vor dreißig Jahren unverändert erhalten. Die Haustiere sind größtenteils ausgestorben, wenn auch nicht vollständig. Ansonsten verbessern sich die Umweltverhältnisse auf der Erde in raschem Tempo. Die Ozonschicht ist fast wiederhergestellt, und das Wetter ist stabiler als seit vielen Jahrzehnten.
In diesem Szenario findet dein Auftritt als Autor statt. Wie verläuft die zweite Kolonisation, die die Menschheit auf ihrem Planeten in Angriff nimmt? Welchen Herausforderungen muß der einzelne Mensch sich stellen? Kurz gesagt: Was ist es für ein Gefühl, einer kleinen Menschheit anzugehören? Kann es in gewisser Hinsicht auch eine Befreiung sein?
Du mußt selbst entscheiden, welche Episoden du erzählen willst, und du hast endlose Möglichkeiten; Grenzen setzt dir allein deine Phantasie. Es dürfte sich lohnen, allen 339 Menschen Namen zu geben und dir ein Bild von ihrer Persönlichkeit zu machen, auch wenn du nicht von allen erzählen kannst. Diese 339 Menschen und ihr Schicksal sind dein Material.
Wie haben die einzelnen die Seuche erlebt, die fast alle Menschen dahingerafft hat? Welche von ihren Lieben haben sie verloren, wie ist das passiert? Vergiß nicht, die dramatischsten und ergreifendsten Momente zu schildern. Und denk außerdem daran, daß alle Überlebenden der Tatsache ins Auge blicken mußten, daß auch sie aller Wahrscheinlichkeit nach der Epidemie zum Opfer fallen würden.
Wie kommen die einzelnen jetzt zurecht? Welche Geschwister haben miteinander Kinder gezeugt, um das vollständige Aussterben ihrer Gruppe zu verhindern? Was empfindet ein Vater, der seine eigene Tochter schwängert? Und was geht dabei in der Tochter vor?
Eine wesentliche
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