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Der Geschichtenverkäufer

Der Geschichtenverkäufer

Titel: Der Geschichtenverkäufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jostein Gaarder
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jemanden von der Flucht aus der Wirklichkeit abzubringen. Das Autorenhilfswerk war nicht zuletzt ein Katalysator der Selbsterkenntnis. Ich mußte manche Träne trocknen. Und konnte meine psychologischen Fähigkeiten sinnvoll nutzen.
    Ich habe mich immer für einen brauchbaren Psychologen gehalten. Für einen Psychologen ist Menschenkenntnis natürlich wichtiger als alles andere, und ich fand, daß ich davon genug hatte, nicht zuletzt aufgrund der vielen Kino- und Theaterbesuche in meinen jungen Jahren. Ich hatte außerdem viel über das Leben der Menschen gelernt, als ich über der Stadt geschwebt und in die Fenster der Häuser geschaut hatte. Ich hatte in Tausende Heime geblickt. Es ist nicht allen vergönnt, einen Blick in Tausende Heime zu tun.
    Ein Psychologe muß außerdem trösten können, und auch das hatte ich im Laufe der Jahre gelernt. Zum Trösten gehört, daß uns die Worte nicht ausgehen, auf diese Weise ist es eng verwandt mit dem Phantasieren. Wenn Calvero am Anfang von Rampenlicht Terry tröstet, greift er auf seinen eigenen Schatz an Perspektiven und Blickwinkeln zurück. Calvero ist ein Säufer und ein erfolgloser Clown, was sich als hervorragende Kombination erweist. In der Regel ist es leichter, einen anderen Menschen zu trösten, wenn man selbst die tiefste Verzweiflung erlebt hat.
    Terry liegt auf Calveros Bett, und ihre langen schwarzen Haare breiten sich über der weißen Bettwäsche aus. Der Arzt ist gegangen, und sie kommt nach ihrem Selbstmordversuch wieder zu Bewußtsein. Calvero dreht sich zu ihr um und fragt:
    Headache?
    Terry: Where am I?
    Calvero: You are in my room. I live two floors above you.
    Terry: What happened?
    Calvero: Well, I came home this evening and smelled gas coming from your room. So I broke in the door, called a doctor and together we brought you up here.
    Terry: Why didn’t you let me die?
    Calvero: What’s your hurry? Are you in pain? (Terry schüttelt den Kopf). th at’s all that matters. The rest is fantasy. Billions of years it’s taken to evolve human consciousness, and you want to wipe it out? What about the miracle of existence? More important than anything in the whole universe. What can the stars do? Nothing, but sit on their axes. And the sun - shooting flames two hundred mega thousand miles high - so what? Wasting all its natural resources. Can the sun think? Is it conscious? No, but you are. (Terry ist wieder eingeschlafen und schnarcht laut.) Pardon me, my mistake!
    Auch später im Film muß Calvero noch einige Male an den Lebenswillen der unglücklichen Ballerina denken, die noch immer mit gelähmten Beinen im Bett liegt und einmal sagt er:
    Listen! As a child I used to complain to my father about not having toys. And he would say (Calvero zeigt auf seinen Kopf) this is the greatest toy ever created. Here lies the secret of all happiness.
    Die potentiellen Debütanten hatten oft unrealistische Erwartungen, was die Bedeutung des Autorenhilfswerks für ihre zukünftige Karriere anbetraf. Wenn sie erst einmal ein flottes Romansujet erworben hatten, glaubten sie, der Rest ergebe sich von selbst. Aber das stimmt natürlich nicht. Es reicht nicht, eine gute Idee zu haben, auch nicht, wenn es sich um eine detaillierte, hieb- und stichfeste Synopsis handelt. Man braucht dazu auch die Fähigkeit, den Roman zu schreiben, muß eine überzeugende Erzählerstimme entwickeln können und einige grundlegende stilistische Tricks beherrschen. Aber im allgemeinen scheitert das Projekt noch nicht an diesem Punkt. Wenn man nach zwölf Schuljahren das Schreiben nicht gelernt hat, kann man sich immer noch zu einem Schreibkurs anmelden. Es gibt viele Schreibkurse, die Nachfrage ist groß. Etwas, worüber man schreiben kann, ist dagegen Mangelware, und daraus läßt sich auch kein Unterrichtsfach machen. Kein Kurs kann uns beibringen, etwas zu finden, worüber wir schreiben können. Doch nun war ich da, genau dieser Mangel war meine Marktlücke.
    Vielen angehenden Autoren fehlte es an etwas so Grundlegendem wie Lebenserfahrung. Der Glaube, man könne erst schreiben und später leben, ist ein postmodernes Mißverständnis. Dennoch wollen viele junge Leute vor allem Schriftsteller werden, um ein Schriftstellerleben führen zu können. Damit stellen sie die Sache auf den Kopf. Zuerst lebt man, dann kann man sich überlegen, ob man etwas zu erzählen hat, aber die Entscheidung darüber trifft das Leben selber. Die Schrift ist die Frucht des Lebens. Das Leben ist nicht die Frucht

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