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Der Geschichtenverkäufer

Der Geschichtenverkäufer

Titel: Der Geschichtenverkäufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jostein Gaarder
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waren frustriert. Sie verkehrten weiterhin in den literarischen Kreisen, manche mit ewig niedergeschlagenem Gesicht; doch sobald sie zu einer ausgearbeiteten Romansynopsis Zugang hatten, tauten sie wieder auf und waren in der Regel bereit, gut dafür zu bezahlen. In den schwersten Fällen legte ich bisweilen einen ausführlichen Entwurf für die ersten vier oder fünf Seiten bei, nur, um den Autoren Witterung zu geben und sie an die Arbeit zu treiben.
    Eine andere Gruppe waren Schriftsteller, die gut schrieben, die alle stilistischen Mittel bis in die Fingerspitzen beherrschten, die aber trotzdem vertrocknet waren, weil sie einfach nichts zu erzählen hatten. Mit dieser Gruppe hatte ich am liebsten zu tun. Es brauchte hier oft so wenig - ein glücklicher Umstand in einem Geschäft, bei dem zu weit zu gehen sich verbat. Ich konnte einem wegen seiner soliden Personenschilderungen bekannten Schriftsteller unmöglich Notizen geben, die von Fabulierkunst nur so strotzten oder mit einer analytischen Phantasie brillierten, die ihm kein Leser abnehmen würde. Aber etwas, worüber sie erzählen konnten, eine Story, eine Intrige, konnte solchen Autoren sogar helfen, sich ganz neue Felder zu erobern. In einigen Fällen war danach von einem »Durchbruch« die Rede. Dieses Wort gefiel mir. Es hat etwas wunderbar Befreiendes, daß Dinge so plötzlich geschehen können, daß etwas sich plötzlich losreißt und Hindernisse durchbricht. Oft braucht es dann nur eine Handvoll trockenes Schießpulver.
    Wenn mir die Vertreter dieser Gruppe besonders gut gefielen, dann lag das nicht zuletzt daran, daß sie das, was ich ihnen anvertraute, so gut behandelten. Sie ließen sich Zeit, sie vergeudeten die Gabe, die sie verwalten sollten, nicht. Sie waren vielleicht keine großen Dichter, aber sie waren fähige Handwerker, Schreibkünstler. Für diese Gruppe war das Autorenhilfswerk wie geschaffen, hier konnte von einer echten Symbiose die Rede sein. Denn ich will noch einmal betonen, daß diese Autoren über eine Fähigkeit verfügten, die mir selbst nicht gegeben war: sie besaßen die nötige Gemütsruhe, um sich für zwei, drei oder gar vier Jahre an einen einzigen Roman zu setzen, und das mit großem Vergnügen, wenn nicht sogar Genuß. Oft waren sie Ästheten durch und durch. Sie liebten es, mit der Sprache zu spielen, ihre Personen ausführlich zu beschreiben und lange bei den Empfindungen ihrer Romanpersonen zu verharren. Ich achte sie dafür, dennoch erschien mir ihre filigrane Spracharbeit konstruiert oder gekünstelt, um nicht zu sagen: ausgedacht und aufgesetzt. Anders als diesen forcierten Sensualisten, reichte es mir absolut, mich auf die Plots zu konzentrieren, und selbst die wurden von mir nicht konstruiert oder erfunden, sie waren wie eine Schar Vögel, für die ich einfach die Arme öffnete, um sie mit großer Begeisterung in Empfang zu nehmen.
    In genau dem Spannungsfeld zwischen Spontaneität und Kunstfertigkeit lag die eigentliche Symbiose zwischen den Autoren und dem Autorenhilfswerk. Ich brachte die Plots auf natürliche Weise zur Welt, auf einem Spaziergang etwa, während die Schreibkünstler sich der Mühe unterziehen mußten, sie zu kolorieren. Das konnten sie unbestritten besser als ich.
    Dem einzelnen Autor waren in dem System Grenzen gesetzt, aber sie waren viele, und immer waren mehrere gleichzeitig am Werk. Für mich. Mir gefiel die verrückte Vorstellung, daß mit meiner Erdenzeit womöglich auch die Zeit der Geschichten zu Ende wäre. Ich hatte alle Raketen abgeschossen, alle auf einmal, nach mir würde sich Schweigen über die Erde senken. Es würde nichts mehr geben, keine neuen Einfalle, nichts mehr, worüber spekuliert werden könnte. Ich war Herr über eine riesige Maschinerie, ich organisierte das größte Literaturfestival aller Zeiten, und das alles im geheimen.
    Eine dritte Käufergruppe bestand aus allen, die noch nie etwas veröffentlicht hatten und trotzdem glaubten, zum Schriftsteller berufen zu sein. Diese Autoren bildeten anfangs die größte Gruppe, und sie waren nicht frustriert. Sie sahen den Ruhm schon vor sich und waren außer sich vor Erwartung, potentielle Debütanten. Frustriert waren sie erst, wenn sie einsahen, daß sie eine hohe Summe für eine solide Romanidee hingeblättert hatten, aus der sie einfach nichts zu machen wußten. Auf diese Weise konnte meine unsichtbare Hand so manchen Selbstbetrug entlarven. Ich hielt auch das für eine wichtige Aufgabe; es kann eine gute Tat sein,

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