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Der Geschmack der Gewalt

Der Geschmack der Gewalt

Titel: Der Geschmack der Gewalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Bill
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Mercedes, Baujahr 88. Das Haus war ein Klinkerbungalow in der Farbe von totem Rispengras. Jägergrün gedeckt. Hatte eine Wohnfläche von rund 280 Quadratmetern. Umgeben von knapp 20 Hektar Land. Wie die Apotheke hatte es seinem Vater gehört und war Eldon vererbt worden. Annus stieg aus ihrem Camry, stinksauer. »Nichts von dem hat dieser verwöhnte Hurensohn verdient. Ist wahrscheinlich wieder verkatert.«
    Rotkehlchen und Amseln diskutierten in Eschen und Eichen,während rote Eichhörnchen auf dem ungeharkten Rasen Eicheln sammelten. Annus ging an der Doppelgarage vorbei. Feuchte Luft umspielte ihre klickenden Absätze den zementierten Weg entlang zum Hauseingang. Klingelte erfolglos. Zog die Glastür auf. Hämmerte mit der Faust gegen das Holz. Nichts. Drehte am Messingknauf. Es war nicht abgeschlossen. Sie sagte sich, dass wenn dieser Arsch von Säufer wieder das ganze Haus vollgekotzt hatte, sie einen Teufel tun und saubermachen würde. Selbst wenn er ihr wieder die Falten aus dem Arsch ritt und dabei den Hintereingang benutzte.
    Als sie die Wohnzimmertür öffnete, roch sie etwas, das sie an verdorbenen Kohl erinnerte, in Kombination mit Schweinefleisch, das sein Verfallsdatum lange überschritten hatte. Der durchdringende Verwesungsgeruch trieb ihr den Schweiß auf die Stirn und ließ ihre gepuderte Haut faltig werden. Sie fächelte mit der Hand vor ihrem Gesicht herum, schüttelte den Kopf. Betrat dann die Küche. Und schrie. Und schrie. Und schrie.
    *
    Zwischen zwei von Kotzreiz begleiteten hysterischen Anfällen wählte Annus 911. Machte, als Officer Meadows eintraf, ihre Aussage. Erzählte von Eldons Anruf am Freitag. Vom freien Wochenende und davon, dass er am Morgen nicht aufgetaucht und nicht ans Telefon gegangen war. Außerdem war ein Mr. Shong vorbeigekommen, der nach ihm gesucht hatte. Also war sie während der Mittagspause hergekommen, um nach Eldon zu sehen.
    Deputy Sheriff Whalen presste sich ein Taschentuch vor den Mund, blockte so die säuerlichen Schwaden ab, die Eldons Bestandteile verströmten. Die Hände hinter dem Rücken an einem Eichenstuhl festgebunden. Ohne Hose. Eine Schweinerei aus Urin und Fäkalien war vom Stuhl auf den gefliesten Boden geflossen. Die Stirn mittig durchlöchert, die Augen in totem Starrenfixiert. Gehirnmasse und Schädelsplitter hinter dem Kopf verspritzt wie Spaghetti mit Tomatenstückchen. Ein paar Zähne ausgeschlagen, die an seinem rosafarbenen T-Shirt klebten. Eine einzelne Patronenhülse Kaliber 45 aus Messing auf dem Fußboden.
    Meadows stand neben Whalen. »Was halten Sie davon?«, fragte er.
    »Sollten die Forensiker von der Staatspolizei feststellen, dass Fingerabdrücke und Ballistik der Hülse auf dem Boden mit den zwei anderen Morden übereinstimmen, würde ich sagen, Harrison County hat mehr als ein Meth-Problem. Dann ist die Kacke richtig am Dampfen.«

6
    Ned glaubte an zwei entspannte Hände, zu Fäusten geballt, und ein Körnchen Crank in jedes Nasenloch, bevor er den ersten Punch abfeuerte. Als er von Deputy Sheriff Whalen erfuhr, dass Flat und Beatle ohne sein Wissen Crank vertickt hatten, war sein Interesse daran, die Quelle seines persönlichen Vergnügens zu finden, viel größer als daran, die Killer seiner Freunde zu erwischen. Er hatte jegliche Brücken zu den Crank-Köchen und Dealern im Umkreis von gut 150 Kilometern abgebrochen.
    Tageslicht schälte die Dunkelheit ab, als die Tür der Leavenworth Tavern aufschwang und die Glocke über dem Eingang zum Klingeln brachte. Alle wissen ließ, noch einer von ihnen war eingetroffen, um seinen Kopf in schaumgekrönten Gläsern voll Gold zu vergraben, das die Zumutungen des täglichen Lebens erträglich machte.
    Ned setzte sich auf einen runden Hocker mit Plastikbezug und bestellte ein Natural Light. Poe schob die silberne Kühltruhe auf, zog eine Dose heraus, öffnete sie und stellte sie vor Ned. »Tut mir leid, was ich von deinen Kumpels gehört hab.«
    Ned bedachte Poe mit einem bösen Blick, wünschte sich, etwas anderes zur Hand zu haben als die eiskalte Dose. »Alte Gewohnheiten lassen sich schwer ablegen.«
    Poe nickte. »Nehme an, du machst dich bald auf den Weg, fährst runter zum Brook dieses Jahr?«, fragte er. Poe war ein Kontaktmann des Donnybrook, einer, der Kämpfern und Zuschauern den Weg dorthin beschrieb, ein Soll zu erfüllen hatte, um McGill bei Laune zu halten.
    Ned nippte an seinem Bier, schluckte. »Absolut, deswegen bin ich hier«, sagte er. »Ich brauch einen kleinen

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