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Der Geschmack der Gewalt

Der Geschmack der Gewalt

Titel: Der Geschmack der Gewalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Bill
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Pferdeschwanz zusammengebunden. Beide Ohren waren gepierct. Auf seine Arme, die an zerknüllte Papiertüten erinnerten, waren Adler tätowiert. Er hatte hellgrüne Augen. »Können Sie mich auf die andere Flussseite bringen?«, fragte Jarhead ihn.
    Der Mann lächelte. »Dachte schon, du würdest nie fragen. Hab schon den ganzen Morgen hier gewartet.«
    »Den ganzen Morgen hier gewartet?«, sagte Jarhead. »Hör zu, Alter, lass den Scheiß. Kannst du mich über den Fluß und nach Orange County bringen oder nicht? Ich muss …«
    »Ich weiß.«
    Schweiß überzog den Schmerz, der sich in Jarheads Körper auszubreiten begann. Er verlor langsam die Geduld, war im Begriff, den Revolver aus dem Bund zu ziehen, und fragte: »Was meinst du damit, du weißt? Stehst du bei den Windelschänder-Arschgesichtern da oben in der Kreide?«
    Die Hand des Mannes drückte gegen Jarheads, hinderte ihn daran, die Waffe zu ziehen. »Nichts dergleichen, Junge. Ich bin ein Mann des Geistes. Und jetzt reg dich wieder ab. Mein Boot liegt gleich ein paar Meter hinter dir.« Er drehte seine Hand zum Handschlag. »Heiße Purcell.«
    Jarhead ergriff Purcells Hand. »Die Leute nennen mich Jar…«
    »Jarhead Johnny Earl.« Purcell drückte ihm die Hand. »Ich weiß alles über dich. Die Leute nennen mich Purcell, manchmal Purcell den Propheten. Brechen wir auf, bevor es dunkel wird.«

14
    Zigarettenqualm, dick wie der Rauch brennender Reifen, umfing Angus an der Tür. Hinter ihm fragte eine Stimme, die wie ein verrosteter Auspuff klang, gewürzt mit einem Schuss Bourbon: »Was willst du denn hier?«
    Angus’ Mund war trocken wie drei Sonntage ohne einen Tropfen Regen. Ein Benzintank auf der Suche nach einem Funken. Er fischte in der Brusttasche seines ärmellosen T-Shirts nach einer Zigarette, zündete sie an und stieß Rauch aus. »Einen Drink und ein paar Antworten.«
    »Fehlanzeige.« Ein Mann. Mitte vierzig. Das schwarze T-Shirt am Kragen zerknittert. Haut wie ein Hühnchen. Die Kiefer rohe Keksbrocken, die zu lange im Ofen gewesen waren. Trieb einen Blick in Angus hinein wie einen Zehn-Zentimeter-Nagel. »Hast meinen Jungen zu Grunde gerichtet mit dem Dreck, den du verkaufst.«
    Aus der Jukebox greinte Bascom Lamar Lunsford »I Wish I Was A Mole In The Ground«. An einem Tisch hinter dem Mann saßen weitere Männer, schüttelten die Köpfe und nippten an schwitzenden Falls-City-Dosen. Angus ließ die Zigarette von der Unterlippe hängen. Seine Arme baumelten locker an den Seiten wie die eines Affen. Er musterte die abgerissene Erscheinung des Mannes. »Willst du mir eine Abreibung verpassen?«, fragte er. »Wir sehen uns draußen, wenn ich hier fertig bin. Aber ich warne dich schon mal, wenn ich mit dir fertig bin, wird von dir kaum mehr übrig sein als Asche in einem frischen Grab.«
    Der Mann kam stoßartig näher. »Warum musstest du hierherkommen?«
    Angus brachte sich in Position, ballte eine Faust. Das Blut in Wallung, sagte er: »Weil ich jemanden finden muss, um meinenLebensunterhalt zu verdienen. Jeder Mensch lebt auf Kosten eines anderen, so ist das Leben.«
    Der Mann bewegte sich hektisch. »Du meinst, andere Menschen ruinieren. Ihr Leben vergiften.«
    Angus atmete tief ein. Zog den Rauch in die Lungen, blies ihn aus. »Ich komme klar mit dem, was man mir angedreht hat«, sagte er.
    Der Mann wollte nicht aufhören, sagte: »Das ist nicht der Weg Gottes.«
    Angus lachte. Konnte nicht anders. »Sich in einer Kaschemme zu besaufen aber wohl? Pass auf, sollte es einen Gott geben, folge ich genau seinem Beispiel, so wie es Mann, Frau und Kind aufgetragen ist. Und du auch, nehme ich an.«
    Der Mann knirschte mit den Zähnen. »Sag das nicht.«
    Angus hatte genug. »Was auch immer du für ein Problem mit mir hast«, sagte er, »schlepp’s nach draußen zu dem schissgrünen Pinto. Ich bin in ein paar Minuten bei dir.«
    Angus streifte den Mann an der Schulter. Spürte das Nachgeben, den wackeligen Gegendruck. Keinerlei Erfahrung, dachte Angus, wusste, dass er den Bastard mit zwei Hieben kaltstellen würde.
    Er bahnte sich einen Weg durch die lärmenden Körper. Das spätabendliche Geschlürfe, Geschrei und Gejohle. Setzte sich an die Theke. Poe begrüßte ihn mit langsam ausgestoßenen Worten: »Dich hab ich ja lange nicht gesehen. Dein Mädchen war vor ein paar Tagen abends hier.«
    Angus lächelte nicht einmal. »Darum bin ich hier.«
    »Da bist du ein paar Nächte zu spät, mein Freund«, ließ Poe ihn wissen.
    Ohne zu blinzeln riss

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