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Der Geschmack der Gewalt

Der Geschmack der Gewalt

Titel: Der Geschmack der Gewalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Bill
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Verletzt und verschorft. Pete war drahtig und knotig. Elbow dünn wie ein Äthiophier, nur Haut und Knochen, weil er vom Crank hyperaktiv war und weder aß noch schlief. An den Schenkelinnenseiten hatte er überall Schnitte, die wie Dehnungsstreifen aussahen. Ned dirigierte sie hinüber zu Dodge. »Wieso muss er sich nicht ausziehen?«, fragte Elbow.
    Ned hatte den Scheiß langsam satt. »Weil er nicht muss, darum«, ließ er Elbow wissen.
    Pete stand mit blankem Arsch und Eiern neben Elbow. »Weil diese crankklauende Tunte nicht auf Behinderte steht.«
    »Her mit dem Honig«, schrie Ned Liz an. »Geh zum Wagen und hol die Rolle Klebeband aus dem Handschuhfach.«
    Liz begutachtete die Männer und ihre Fleischauslage, zwinkerte Pete wegen des Kalibers seines dritten Beins zu und fragte Ned: »Wieso?«
    Ned ballte seine freie Hand zur Faust. Cool-Whip-weiße Spucke sammelte sich in seinen Mundwinkeln. »Stell keine Fragen, Schlampe!«, schrie er. »Tu einfach, was ich dir sage und hör auf, ihre Schwänze anzustarren.«
    Pete grinste. »Schleppst du immer noch diese beschissene Kiste mit dir rum, falls du mal eine Bar überfällst und danach ein paar Jungs die Hand- und Fußgelenke zusammenbinden willst? Wie wir’s vor Jahren ein paarmal gemacht haben, bevor du Lang und mir den Stoff geklaut hast?«
    Ned richtete die Pistole auf Pete. »Keine Ahnung, wovon du redest«, sagte er. »Los, hol das verschissene Klebeband«, sagte er zu Liz.
    Liz holte die Rolle aus dem Handschuhfach. Umkreiste Elbow und Pete. Fesselte sie an Dodge, der zwischen ihnen im Rollstuhl saß. Fixierte beide von den Schultern bis zur Taille mit Klebeband, während sie überlegte, wann sie sich dieses hinterhältigen Hurensohns entledigen würde.
    Ned spritzte ihnen den Honig auf die Köpfe. In die Gesichter. Über das Klebeband. Schmiss die leere Flasche auf den Teppich. Lachte. »Wir werden die Tür offen lassen, wenn wir gehen«, erklärte er. »Ich nenne so was gerne Redneck-Fliegenfalle.«
    Liz und Ned schnappten sich das Meth und die Kaffeedose mit dem Geld und gingen raus. Hörten, wie Pete brüllte: »Du kriegst noch dein Fett weg, Fickfresse, verlass dich drauf!«
    *
    Jarhead bekam kleine Bäume zu fassen. Ihre Wurzeln gaben nach, und er rutschte weiter. Es ging zwei- oder dreihundert Meter steil bergab. Er rollte und überschlug sich, hielt aber die Walmarttüte fest umklammert. Unten angekommen lag er, zerkratzt und zerschrammt, auf dem Rücken und schnappte nach Luft. Trockene Blätter in Hemd und Hose. Erde an Händen und Knien.
    Oben vom Hügel hörte er das entfernte Krachen und Knallen widerhallender Schüsse.
    Als er es geschafft hatte aufzustehen und sich den Naturschutt abklopfte, hörte er vor sich Wasser plätschern. Er sog Luft ein und folgte Geruch und Geräusch. Seine Stiefel versanken in der marshmallow-weichen Erde. Die Vegetation war komplett ersoffen. Nur Bäume waren geblieben, ihre Wurzeln lagen blank.
    Als er aus dem Unterholz trat, war er gleich da, der warme Fischgestank des Ohio River, dessen braunes Wasser an die Uferlinie aus Schlamm und Schlick schlug. Und wie vom Himmel herab fragte ihn die Stimme eines Mannes: »Was zum Teufel ist denn mir dir passiert, Junge? Hast du dich mit einem Brombeerstrauch angelegt oder mit Alonzo Conway?«
    Oben auf dem Hügel zielte Alonzo auf das hintere Ende eines Streifenwagens, während Tig auf einen anderen zielte. Immer wieder feuerten sie. Ersetzten tote Patronen durch lebende. Bis der Plan aufging.
    Ein Feuerball erschuf einen weiteren Feuerball, vereinte sich mit ihm. Die Körper hinter den Streifenwagen lösten sich auf. Die orangefarbene Kugel dehnte sich pilzförmig nach allen Seiten aus, bis zu dem Blechschuppen, wo die Flammen noch mehr Benzin fanden. Eine weitere Flammenwand errichteten. Land und Häuser kilometerweit erzittern ließen.
    Unten am Ohio spürten Jarhead und der Mann das Beben in den wackelnden Beinen. Beide schauten den Hügel hinauf. »Was zur Hölle war das?«, fragte der Mann.
    Jarhead verzog, Striemen und Schnitte im Gesicht, keine Miene. Kleine Risse zierten die schwer beladene Walmarttüte in seiner linken Hand. Die 45er steckte fest in seinem Hosenbund. Der Mann hielt eine Quantum-Angelrute in der rechten Hand. Trug ein braunes T-Shirt. Hatte ein geschwungenes Häutemesser an seiner hellbraunen Carhartt-Zimmermannshose befestigt, die in schwarzen Gummistiefeln steckte. Er war glattrasiert, sein Haar wolkengrau und lang und zu einem zottigen

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