Der Geschmack der Liebe
ab. Eleonore blickte ihn aufmerksam an. Sie konnte sehen, dass er nach den richtigen Worten suchte.
„Seien Sie ruhig ganz offen, Doktor“, machte sie ihm Mut, „ich kann einiges verkraften.“
Der Arzt warf ihr einen prüfenden Blick zu, dann holte er tief Luft. „Gut, also erfahrungsgemäß bleibt es oft nicht nur bei einem … Versuch. Ich glaube, es wäre für Ihre Schwiegertochter am besten, sagen wir, Abstand zu den Ereignissen der letzten Zeit zu gewinnen.“
Eleonore nickte. Sie war dem jungen Mann dankbar, dass er das Wort Selbstmordversuch so sensibel umschiffte. Und er hatte recht. Zu Hause würde Christine alles an Maximilian und ihren Verlust erinnern.
„Ich kümmere mich darum“, versprach sie und hatte auch schon eine Idee. „Gibt es hier irgendwo die Möglichkeit, in Ruhe zu telefonieren?“
„Kommen Sie“, er deutete lächelnd den Gang hinunter. „Bis Frau Hansen aufwacht, kann es noch ein paar Stunden dauern, ich glaube, die Pfleger haben gerade Kaffee aufgesetzt.“ Eleonore warf noch einen Blick auf ihre Schwiegertochter, dann folgte sie ihm.
„Sagen Sie, wie viel Uhr ist es jetzt in Australien?“
Als Luisa am nächsten Morgen an ihrem Arbeitsplatz erschien, standen einige ihrer Kollegen um die große Röstmaschine herum und unterhielten sich leise.
„Habe ich was verpasst?“, fragte sie fröhlich und gesellte sich dazu. Heute Nacht hatte sie endlich mal wieder gut geschlafen. Sie hatte von ihren Tarotkarten geträumt, und fast von jeder hatte ihr Konstantin von Heidenthal entgegengelächelt.
„Och … nö, nichts“, sagte Nicole und funkelte sie wütend an. „Zumindest nichts, worüber du nicht schon längst Bescheid wissen dürftest.“ Die anderen Mitarbeiter wichen Luisas Blick aus. Überrascht blickte sie von einem zum anderen. „Ich dachte, wir hätten das gestern geklärt!“, sagte sie mit fester Stimme. Langsam ging es ihr auf die Nerven, sich für etwas verteidigen zu müssen, für das sie nichts konnte. Sie hatte es sich schließlich nicht ausgesucht, dass Maximilian Hansen ihr Vater war und sie in seinem Testament bedacht hatte. Sie wünschte sich wieder einmal, dass das alles nie geschehen wäre! „Also, was habe ich jetzt schon wieder verbrochen?“
Niemand sagte etwas. Das Schweigen ihrer Kollegen war für Luisa unerträglich.
„Himmel, ja, entschuldigt vielmals, offensichtlich gehöre ich seit Neuestem zur Familie Hansen, aber das ändert doch nichts zwischen uns!“
„Und was fällt dann nun genau in dein Aufgabengebiet?“, wollte Nicole gereizt wissen. „Ich meine, außer den neuen Marketingleiter herumzuführen und uns das Weihnachtsgeld zu kürzen?“
Luisa glaubte, ihren Ohren nicht zu trauen. Das konnte doch alles nicht wahr sein!
„Das was?“
Nun mischte sich Herr Hubertus Braun ein, dem Luisa offenbar leidtat. „Daniel Hansen hat heute Morgen verkündet, dass wir dieses Jahr alle auf das Weihnachtsgeld verzichten müssen.“
„Ja, alle bis auf ihn und die restliche obere Etage vermutlich. Also einschließlich dir“, fügte Nicole giftig hinzu. Da platzte Luisa der Kragen. „Ja, sag mal, spinnt ihr? Damit habe ich doch nichts zu tun. Und ich wette, dass seine Großmutter auch nichts davon weiß!“
Ein paar der Kollegen nickten langsam. Luisa wusste, sie hatte einen Punkt gemacht. „Das hätte ich echt nicht von euch erwartet“, fuhr sie aber noch immer wütend fort. „Wir haben uns doch immer gut verstanden! Wie kommt ihr nur darauf, dass ich mich plötzlich total verändert habe?“ Nun sah sie Nicole direkt an. „Gerade du! Ich dachte, wir wären so etwas wie Freunde!“
Nicole nickte beschämt. „Ja, es ist doch nur alles so … verwirrend.“
„Pah, frag mich mal!“ Luisa blies eine widerspenstige Locke aus ihrem Gesicht und fügte leise an: „Du hättest mich doch einfach fragen können …“
„Stimmt“, Nicoles Stimme klang dünn. „Entschuldige.“
Erleichtert atmete Luisa aus. „Okay, dann mal ran an den Speck! Ich geh jetzt mal den Werbefuzzi suchen.“
Damit wandte sich Luisa entschlossen zur Tür – um hinter sich Konstantin von Heidenthal zu entdecken. Breit grinste er sie an. Na toll, das hatte ihr gerade noch gefehlt. Wie lange er wohl schon an der Tür gestanden hatte? Kurzerhand setzte sie ein professionelles Gesicht auf und begann wortreich, ihm die Röstmaschinen und die Lagertechnik der Kaffeebohnen zu erklären. Interessiert verfolgte er jedes einzelne Wort, doch der amüsierte Ausdruck
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