Der Geschmack der Liebe
ignorierte Matthis’ nachdenklichen Blick. So hatte der seinen besten Freund noch nie erlebt. Immerhin kannte er Konstantin nun schon über zwölf Jahre. „Ich meine ja auch nur, du bist schließlich nicht frei.“ Jetzt lachte Konstantin und begann den Tisch abzuräumen. „Komm schon, Matthis, ich gehe essen mit einer Kollegin, nicht auf Abenteuerurlaub in den Urwald.“
Daniel sah aus dem Fenster der Bar. Es war dunkel, das war gut. Selbst hier drin waren die Lichter gedämpft, und all die herausgeputzten Frauen sahen mindestens fünf bis zehn Jahre jünger aus, als sie tatsächlich waren. Daniel wusste das deshalb so genau, weil er schon einige seiner Bettbekanntschaften in einem solchen Etablissement aufgerissen hatte. Doch heute war er einfach nicht in Stimmung. Die Wut auf seine Großmutter, die nicht verrauchen wollte, versuchte er mit Whiskey zu ertränken. Seufzend blätterte er die Telefonnummernliste in seinem Handy durch. Einen Moment verharrte er bei einer Nummer, die bei ihm den Vermerk „besonders wichtig“ hatte. Aber so gern er würde, diese Frau konnte er ganz sicher nicht anrufen. Ausgerechnet auf dem Klassentreffen vor einigen Wochen war er ihr nach all den Jahren wieder begegnet. Lange hatten sie sich miteinander unterhalten. Und dann waren sie zusammen zu ihr nach Hause gegangen. In Daniels Leben gab es nicht besonders viel, das er bedauerte. Das meiste war mit Geld wiedergutzumachen oder zu vergessen. Aber den Tag, der auf diese atemberaubende Nacht folgte, den würde er gern noch mal von vorne beginnen. Dann würde er nicht heimlich aufstehen und sich davonmachen. Sie hatte so wunderschön im Schlaf gelächelt. Am liebsten wäre er dageblieben, nur um sie die ganze Zeit anzuschauen. Aber er wusste genau, dass dies nicht möglich war, sie hatte es ihm schon am Abend zuvor gesagt. Also war er gegangen. Daniel schenkte sich noch einen Whiskey ein, der Barkeeper hatte ihm netterweise gleich die Flasche auf den Tresen gestellt. Wieder musste er an seine Großmutter denken. Nein, sie hatte sich geschnitten! So ging man mit ihm nicht um. Nicht mit ihm! Und das würde er ihr und allen anderen auch beweisen!
8. KAPITEL
Nur wenige Tage später saß Eleonore Doktor Mengersson in dessen Büro am Gänsemarkt gegenüber. Die Privatbank Burlitz & Mengersson – ein Familienunternehmen wie Hansen Kaffee – war seit Jahrzehnten mit den Geschäften der Rösterei betraut. Eleonore kannte Ludwig Mengersson, seit er ein kleiner Junge gewesen war. Mittlerweile war er neunundfünfzig, hatte zwei Söhne, die beide in der Bank arbeiteten.
„Frau Hansen“, Doktor Mengerssons Stimme klang bekümmert. „Ich weiß, wie sehr Sie der Tod Ihres Sohnes mitgenommen hat. Doch ich bin froh, dass Sie nun den Weg zu uns gefunden haben. Wir müssen dringend miteinander reden.“
Alarmiert beugte sich Eleonore vor und sah dem Bankier fest in die Augen. „Worum geht es?“ Eleonore konnte den besorgten Ausdruck auf seinem Gesicht nicht so recht einschätzen. Ja, sie hatte sich im Großen und Ganzen in die finanzielle Seite der Firma eingearbeitet. Und sie sah auch, dass hier und dort ein paar Veränderungen nötig waren, aber …
„Ich würde Ihnen dieses Gespräch gerne ersparen“, begann Mengersson nun und massierte sich die Schläfen. Er fühlte sich der Familie Hansen sehr verbunden und war ungern der Überbringer schlechter Neuigkeiten.
Eleonore schloss einen Moment die Augen. Wie viele Hiobsbotschaften würde sie noch verkraften müssen? Sie riss sich zusammen und nickte ihm dann gefasst zu. „Gut, seien Sie bitte ganz offen. Was ist los?“
Doktor Mengersson holte tief Luft. „Ihr Sohn hatte Sanierungspläne, nur leider konnte er die nicht mehr umsetzen“, erklärte er. „Sie sind aber dringend notwendig. Hansen Kaffee gerät durch die laufenden Kosten immer mehr in Bedrängnis. Wenn Sie die Einnahmen nicht steigern können, muss unweigerlich der Personalstamm reduziert werden.“
Eleonore atmete einmal tief durch. Entlassungen hatte es bei Hansen Kaffee noch nie gegeben. Ihr Wilhelm würde sich im Grabe umdrehen, wenn er das hörte.
Mit einem Mal wurde sie unglaublich wütend. Auf ihren Sohn und noch wütender auf sich selbst. Warum hatte sie nicht sämtliche Unterlagen von vorne bis hinten geprüft? Warum hatte Maximilian ihr nichts von den Schwierigkeiten erzählt, in denen die Firma steckte?
„Wie viel Zeit haben wir noch?“, wollte sie wissen.
„Ich fürchte, nicht mehr allzu viel. Die
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