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Der Geschmack von Apfelkernen

Der Geschmack von Apfelkernen

Titel: Der Geschmack von Apfelkernen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hagena
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Birken, die
     Telefonmasten, die Zäune, nein, viele waren natürlich neu. Ich glaubte auch, die
     schwarzbunten Kühe wiederzuerkennen, aber das war natürlich Unsinn. Auf dem Fahrrad
     blies der Wind mir ins Kleid, und obwohl es keine Ärmel hatte, brannte die Sonne
     doch auf dem schwarzen Stoff. Zum ersten Mal, seit ich hier war, bekam ich wieder
     Luft. Der Weg ging immer geradeaus, mal ein bisschen hinunter, mal hinauf, ich
     schloss die Augen. Alle waren diesen Weg gefahren. Anna und Bertha in weißen
     Musselinkleidern in der Kutsche. Meine Mutter, Tante Inga und Tante Harriet auf
     Rixe-Damenrädern. Und Rosmarie, Mira und ich auf den gleichen Rixe-Rädern, die
     fürchterlich schepperten und deren Sättel zu hoch waren, sodass wir, um uns nicht
     die Hüftenzu verrenken, die meiste Zeit im Stehen fuhren. Aber um
     nichts in der Welt hätten wir die Sättel heruntergeschraubt, das war eine Frage der
     Ehre. Wir fuhren in den alten Kleidern von Anna, Bertha, Christa, Inga und Harriet.
     Fahrtwind bauschte den hellblauen Tüll, schwarzer Organza flatterte, und die Sonne
     spiegelte sich im goldenen Satin. Mit Wäscheklammern steckten wir die Sachen hoch,
     damit sie uns nicht in die Kette kamen. Und barfuß radelten wir zum Fluss.

    Zu lange durfte man nicht mit geschlossenen Augen fahren,
     auch geradeaus nicht, fast hätte ich ein Kuhgatter gestreift, jetzt war es nicht
     mehr weit. Dort hinten sah ich schon die Holzbrücke über der Schleuse. Ich blieb
     oben auf der Brücke stehen und hielt mich am Geländer fest, ohne die Füße von den
     Pedalen zu nehmen. Niemand da. Zwei Segelboote lagen vertäut an dem Anleger, und
     irgendwelche Metallteile klirrten leise gegen die Masten. Dann stieg ich ab, schob
     das Rad von der Brücke, zog den Korb aus seiner Umklammerung, legte mein Gefährt
     oben ins Gras und lief den Hang hinunter. Die Hänge führten nicht steil ins Wasser
     hinein, sondern bildeten links und rechts schmale Ufer, die mit Schilf bewachsen
     waren. Dort, wo kein Schilf wuchs, hatten wir früher unsere Handtücher ausgebreitet.
     Aber über die Jahre waren die Ufer so zugewuchert, dass ich mich lieber auf einen
     der Holzstege setzte.
    Meine Füße hingen im schwarzbraunen Wasser. Moorwasser.
     Wie weiß sie aussahen und wie fremd. Um mich vom Anblick meiner Füße im Fluss
     abzulenken, versuchte ich, die Namen der Boote zu lesen. »Sine« hieß das eine,
     albern, das war ja nur ein Bruchstück, das Wrack eines Namens. Den anderen Namen
     konnte ich nicht ganzlesen, er war der anderen Uferseite
     zugewandt. Irgendwas mit »the« am Ende. Ich legte mich auf den Rücken und ließ die
     fremden Füße, wo sie waren, es roch nach Wasser, Wiese, Moder und Holzschutzmittel.

    Wie lange hatte ich geschlafen? Zehn Minuten? Zehn
     Sekunden? Ich fror, zog die Füße aus dem Wasser und griff über meinen Kopf nach
     hinten zum Korb. Doch ich spürte nicht das morsche Weidengeflecht unter meinen
     Fingern, sondern einen Turnschuh. Ich wollte schreien, es kam nur ein Ächzen. Sofort
     auf den Bauch rollen, aufsetzen, vor meinen Augen schwebten silberne Punkte, und es
     rauschte in meinem Kopf, als hätte sich das Schleusentor neben mir geöffnet. Die
     Sonne gleißte, weiß war der Himmel, weiß. Jetzt nicht in Ohnmacht fallen, der
     Anleger war nur schmal, ich würde ertrinken.
    - O Gott, Entschuldigung. Bitte entschuldigen Sie, bitte.
    Die Stimme kannte ich doch. Das Rauschen wurde leiser. Vor
     mir stand der Junganwalt im Tennisdress, ich hätte fast gekotzt vor Wut. Miras
     beschränkter kleiner Bruder, wie nannte sie ihn doch immer?
    - Ah, die Niete! Ich versuchte, ruhig zu klingen.
    - Ich weiß, ich habe Sie erschreckt, und das tut mir
     wirklich leid.
    Seine Stimme wurde fester, und ich hörte einen Funken
     Verärgerung darin. Gut so. Ich schaute ihn an, sagte nichts.
    - Ich bin Ihnen nicht gefolgt oder so, ich komme immer
     hierher zum Baden. Also erst spiele ich Tennis, dann schwimme ich, mein Partner
     kommt nie mit ins Wasser, aber ich bin immer hier auf dem Anleger, ich habe Sieerst gesehen, als ich unten war, dann sah ich, dass Sie schliefen,
     und wollte gerade wieder gehen, da greifen Sie mir an den Schuh, natürlich wussten
     Sie nicht, dass es mein Tennisschuh war, aber selbst wenn, würde ich Ihnen auch
     keinen Vorwurf daraus machen, denn ich war es ja, der Sie erschreckt hat, und jetzt
     –
    - Meine Güte, redest du immer so? Auch vor Gericht? Bist
     du wirklich fest angestellt in

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