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Der Geschmack von Apfelkernen

Der Geschmack von Apfelkernen

Titel: Der Geschmack von Apfelkernen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hagena
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fragte Christa mich ratlos, nachdem sie aufgelegt hatte, warum in aller Welt hatte sie ihn dann geküsst? Als ich meine Mutter daraufhin schweigend anblickte, vertieften sich ihre beiden Längsfalten über der Nasenwurzel. Sie schaute mich kühl an und sagte dann:
    - Ach. Glaubst du? Na, ich denke, deine Phantasie geht mal wieder mit dir durch.
    Dann biss sie sich auf die Lippen und wandte sich ab.
    Inga hatte am Telefon auch gesagt, dass sie Peter liebe, dass ihr der Altersunterschied egal sei, dass ihr das aber leider erst in dem Moment klargeworden sei, als er ihre minderjährige Nichte geküsst habe, und sie fragte sich, ob sie ihm danach je wieder in die Augen sehen könne. Harriet sei bekümmert, aber hilflos, mit ihr könne Inga jedenfalls nicht sprechen. Christa beruhigte ihre Schwester und riet ihr, mit Peter zu reden. Inga sagte, sie brauche jetzt Zeit, um alles zu durchdenken, würde die Woche über in Bremen bleiben, und dann wolle sie mit Peter sprechen. Das höre sich gut an, fand meine Mutter, und das Telefongespräch war beendet.

    In dieser Woche sollte jedoch noch viel geschehen. Nach Ablauf derselben war alles aus zwischen Tante Inga und Peter Klaasen, und Letzterer hatte eine Stelle irgendwo im Ruhrgebiet angetreten.

[Menü]
    XI. Kapitel
    Trotz des Schattens war es heiß geworden auf der Terrasse. Die Sonne stand hoch, ich ging zurück ins Haus, um ein Glas Wasser zu trinken. Ich ging in Hinnerks Arbeitszimmer, setzte mich an den Schreibtisch und zog einen Bogen Schreibmaschinenpapier aus dem linken Unterschrank, das dort in hohen Stapeln gebunkert war. Dann nahm ich einen der perfekt gespitzten Bleistifte aus der Schublade und schrieb eine Einladung an Max: Heute Abend, kurz vor Sonnenuntergang, kleiner Empfang, große Garderobe. Letzteres fügte ich noch hinzu, weil ich nicht die Einzige sein wollte, die verkleidet herumlief.
    Ich steckte den Zettel in einen weißen Umschlag, schrieb Max Ohmstedt drauf, steckte ihn in meine Tasche und lief hinaus. Die Hitze klatschte mir wie eine Ohrfeige ins Gesicht. Den Brief warf ich bei Max in den Briefkasten. Es lag noch andere Post darin, also hatte er ihn heute noch nicht geleert und würde meine Nachricht sicher bekommen. Und wenn er schon etwas vorhatte? Nun, dann würde er mir eben absagen. Ich wollte schließlich kein Vier-Gänge-Menü kochen.
    Ich radelte weiter zum Edeka-Laden, kaufte Rotwein und aus Sentimentalität eine Packung After Eight. An meinem weißen Ballkleid schien hier keiner Anstoß zu nehmen. Ich steckte alles in meine Tasche und kehrte zurück ins Haus, aß etwas von den Sachen im Kühlschrank und plante meinen Abendempfang.
    Wo sollten wir sitzen? Vor dem Haus auf der Treppeunter dem Rosenbusch? Nicht festlich genug und von der Straße aus sichtbar. Auf der Terrasse unter der Weide? Angesichts dessen, was ich mit ihm besprechen wollte, war der ehemalige Wintergarten nicht der passende Ort. Im Wäldchen? Zu dunkel, zu viele spitze Äste. Im Hühnerhaus? Zu eng, außerdem frisch gestrichen. Auf der Obstbaumwiese? Mitten auf dem Rasen vor dem Haus? Oder vielleicht im Haus?
    Ich entschied mich für die Apfelbäume hinterm Haus. Das Gras war zu hoch, aber es standen all diese Gartenmöbel herum, auf denen man etwas abstellen konnte. Und hinter den Obstbäumen begannen die großen Weiden. Ich ging in die Diele und holte Hinnerks Sense. Wieso sollte ich das nicht auch können? Ich versuchte, mich daran zu erinnern, wie mein Großvater sie gehalten hatte, wenn er leicht und langsam durch die brechenden Halme geschritten war. Was so leicht ausgesehen hatte, war aber sehr anstrengend, und die Hitze machte es nicht besser. Ich schnitt tapfer einen etwas unförmigen Fleck neben dem großen Boskopbaum, auf dem Bertha und Anna einst ihr Versteck hatten. Es sah nicht so aus, als habe hier jemand einen hübschen Picknickplatz hergerichtet, sondern vielmehr, als habe ein Kampf stattgefunden. Hatte es ja auch, und die Sense hatte gewonnen. Ich hängte das stumpfe Ding wieder an seinen Platz zurück. Da halfen nur Decken. Ich ging nach oben, wühlte in den Truhen und fand einen großen Flickenteppich, mehrere grobe Wolldecken und einen braungoldenen Brokatvorhang. Als wären es erlegte Tiere, schleifte ich meine Beute die Treppe hinunter. Ich schleppte sie durch die Diele bis nach hinten auf die Wiese.

    Diese Aussteuertruhen waren wundervoll. Ich ging zurück und holte ein weißes Tischtuch mit Lochstickerei heraus. Beim Hinuntergehen blieb mein

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