Der Geschmack von Apfelkernen
Strumpf zu tun.
Inga wurde unruhig, aber sie nickte.
Peters Hand in Ingas hautfarbener Strumpfhose sah nicht mehr so aus, als gehöre sie noch zu Peters Körper. Wie ein augenloses, farbloses Tiefseetier bewegte sie sich im Wasser des Eimers. Und schon hatte sie sich den ersten Aal geschnappt. Inga beugte sich über den Eimer. Der tote Aal zuckte, aber Peter bohrte rasch einen Haken durch den Fisch. Und diesen Haken hängte er an die Eisenstäbe, die oben quer über der Tonne lagen. Er zog die Hand aus Ingas Strumpfhose und hielt sie ihr hin.
- Jetzt sind Sie dran.
Inga streifte sich den Strumpf über die Hand, tauchte sie in den Eimer und griff zu, aber der Aal entglitt ihr.
- Beherzter.
Inga griff beherzter zu und konnte ihn packen. Sie schrie auf, als sie den Fisch aus dem Wasser zog. Sie konnte spüren, wie er sich bewegte. Peter Klaasen nahm ihn ihr geschickt ab, stach ihm den Haken durch den Kiefer und hängte ihn neben den anderen Fisch. Inga lachte, ein wenig atemlos. Einen Fisch nach dem anderen reichte sie Peter. Als alle Aale hingen, machte er ein kleines Feuer unten im Ofen an, aber er brauchte nur Glut, keine tanzenden Flammen. Peter legte einen runden Deckel auf die Stäbe mit den Fischen. Dann setzten sie sichins Auto, schwatzten und lachten und tranken Kaffee aus einer Thermoskanne, die Peter vom Rücksitz angelte. Sie hatten nur einen Becher, wofür sich Peter Klaasen entschuldigte. Inga sagte, das mache nichts, sie habe ja auch nur eine Strumpfhose gehabt. Daraufhin lachten beide herzlich, und Inga fühlte sich jung und ausgelassen und vergaß für einen Moment die Sorge um Bertha. Als Peter ihr die Tasse mit dem Kaffee reichte, berührten sich ihre Fingerspitzen. Er bekam einen Schlag, zuckte zusammen, und der heiße Kaffee spritzte über Ingas Hand. Sie presste die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf, als Peter ihre Hand ansehen wollte.
Später nahm sie zwei frischgeräucherte Aale mit nach Bremen.
Peter Klaasen bot Inga an, einen Kassettenrekorder ins Auto einzubauen, und klingelte eines Freitagabends an der Haustür in der Geestestraße mit dem Werkzeugkoffer unterm Arm, um gleich mit der Montage anzufangen, damit sie schon am Sonntag auf der Rückfahrt Musik hören könnte. Es waren Osterferien, Mira und ich waren auch da, meine Mutter hatte etwas in der Stadt zu erledigen.
Inga war verlegen, als sie ihm die Tür öffnete, überwand ihre Verlegenheit jedoch schnell, als sie sah, wie verlegen er selbst war. Sie sagte sich, dass sie mindestens fünfzehn Jahre älter war als dieser Junge, und gewann damit schnell wieder ihre Fassung zurück. Sie behandelte ihn mit warmer Herablassung, in die aber auch immer so etwas wie wehmütige Selbstironie gemischt war.
Er wurde hereingebeten und mit Tee und Kuchen versorgt. Harriet sprach mit ihm, sie kannte seinen Chef, den Tankstellenbesitzer, ganz gut. Rosmarie saß amTisch, vor ihr stand eine Vase mit einer einzelnen Dahlie, hellgelb mit rosa Blütenspitzen. Rosmarie hob den Kopf und schaute über die Blume hinweg auf Inga und ihren Besucher. Ihre feinen kupferroten Brauen hatte sie hochgezogen, und sie musterte den jungen Mann mit den silbernen Haaren von Kopf bis Fuß. Schon beim ersten Wort, das ihre Tante Inga und Peter Klaasen am Tisch wechselten, richtete sie sich im Stuhl auf, wurde ganz wach und still wie ein Tier, das eine Witterung aufnimmt. Mira beobachtete Rosmarie unter halbgeschlossenen Lidern.
Auch Harriet spürte die Aufmerksamkeit ihrer Tochter und hatte eine Idee:
- Herr Klaasen, wir suchen seit langem einen Mathematik-Nachhilfelehrer für Rosmarie. Wollen Sie sich vielleicht ein, zwei Mal die Woche dafür opfern?
Peter Klaasen schaute Rosmarie an, die schaute zurück, sagte aber nichts.
- Möchtest du, Rosmarie? fragte er ruhig.
Rosmarie schaute von ihm zu Inga, die unter ihrem Blick begann, sich die Haare zu richten. Dann sah sie Mira an und lächelte ihr Raubtierlächeln, das sie hatte, weil ihre Eckzähne ein klein wenig länger waren als die Schneidezähne.
- Warum nicht?
- Genau, jubelte Harriet, die nicht fassen konnte, dass Rosmarie so fügsam war. Also ja! Ich zahle Ihnen zwanzig Mark die Stunde.
Bertha, die mit ihrem Kuchen beschäftigt war, blickte vom Teller auf und sagte:
- Oh, zwanzig Mark. Das ist viel Geld. Das kann man … nicht wahr? Ich meine, wird das noch? Jetzt sag doch mal was.
Peter wusste offenbar Bescheid über Bertha, jedenfalls schien er nicht weiter erstaunt, sondern sagte
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