Der Geschmack von Glück (German Edition)
Wänden, am Tresen, auf dem Fußboden, aber vor allem an Quinn, die zweimal zwinkerte und sich dann mit dem Unterarm übers Gesicht wischte.
Für einen Augenblick fürchtete Ellie, ihre Freundin würde gleich losheulen. Ihr T-Shirt war vollkommen mit Schokolade überzogen, auch im Haar hing eine Menge. Sie sah aus, als hätte sie gerade beim Schlammcatchen verloren.
Doch dann verzog sich Quinns Gesicht zu einem Grinsen. »Meinst du, der Look könnte Graham Larkin gefallen?«
Ellie lachte. »Schoko-Milchshake gefällt doch jedem.«
Die Mutter des Jungen hatte mit offenem Mund ihr Handy sinken lassen, doch jetzt suchte sie hastig nach ihrem Portemonnaie und legte ein paar Dollarscheine auf den Tresen. »Ich glaube, wir nehmen bloß das Eis«, sagte sie und schob ihren Sohn aus der Tür. Beim Hinausgehen sah sie sich noch einmal nach Quinn um, die immer noch tropfte.
»Bleibt mehr für uns«, sagte Ellie, und wieder fingen sie beide an zu lachen.
Als sie endlich mit Saubermachen fertig waren, war Ellies Schicht fast vorbei.
Quinn sah auf die Uhr, dann auf ihr T-Shirt. »Hast du ein Glück. Ich muss noch zwei Stunden hier rumstehen und so aussehen, als sei ich grad aus Willy Wonkas Schokoladenfabrik gekrochen.«
»Ich hab noch ein Tanktop drunter«, sagte Ellie, zog sich ihr blaues Shirt über den Kopf und gab es Quinn. »Zieh meins an.«
»Danke«, murmelte Quinn und verschwand in der winzigen Toilette, hinten neben den Gefrierschränken. »Ich glaube, ich habe sogar in den Ohren Schokolade.«
»Dann überlebst du wenigstens den Lärm, wenn es hier richtig rundgeht«, rief Ellie ihr hinterher. »Soll ich warten, bis Devon kommt? Bei Mom kann ich auch später auflaufen.«
»Kein Problem«, rief Quinn zurück, und als sie wieder herauskam, trug sie Ellies T-Shirt wie ein Kleid. »Ist ein bisschen lang«, gab sie zu und versuchte, den überschüssigen Stoff in die Hose zu stopfen. »Aber es wird schon gehen. Wenn ich Schluss mache, kann ich es bei euch im Laden vorbeibringen.«
»Super«, sagte Ellie. »Bis dann.«
»Hey«, rief Quinn, als Ellie an der Tür war. Ihre Schultern waren nackt, bis auf die Träger des Tops. »Sonnencreme?«
»Alles bestens.« Ellie verdrehte die Augen. Es war erst die zweite Woche der Sommerferien, und Quinn war schon tiefbraun. Für Ellie hingegen gab es bloß zwei Farbtöne: sehr weiß oder sehr rosa. Als sie klein war, war sie einmal nach einem Strandausflug mit schwerem Sonnenbrand ins Krankenhaus gebracht worden, und seitdem fühlte Quinn sich verantwortlich dafür, dass sie reichlich Creme mit hohem Sonnenschutzfaktor auftrug. Diese Angewohnheit fand Ellie liebenswert und nervig zugleich – sie hatte schließlich schon eine Mutter –, aber Quinn nahm ihre Pflicht sehr ernst.
Draußen blieb Ellie einen Augenblick lang stehen und schaute zu, wie ein Stück weiter die Straße hinunter der Filmset aufgebaut wurde. Jetzt waren nicht mehr so viele Leute da; sie hatten wahrscheinlich genug von Männern in schwarzen T-Shirts, die herumrannten und schwere Ausrüstungskisten schleppten. Doch als sie sich gerade zum Souvenirladen ihrer Mutter aufmachen wollte, bemerkte sie einen Jungen mit einer Dodgers-Cap, der auf die Eisdiele zukam.
Er hielt den Kopf gesenkt und die Hände in den Taschen, doch die lässige Haltung wirkte angestrengt, so als versuchte er, um keinen Preis aufzufallen, und tat es dadurch umso mehr. Halb war sie überzeugt, er sei irgendwer – bloß so ein Typ, irgendein Junge –, aber zugleich wusste sie sofort, dass das nicht stimmte. Sie wusste genau, wer er war. Er wirkte irgendwie überlebensgroß, als wäre er auf einem Riesenplakat oder auf einer Bühne und nicht auf einer Kleinstadtstraße in Maine. Das Ganze war seltsam surreal, und einen Moment lang ließ sich Ellie davon einfangen und meinte zu verstehen, warum so viele seinem Zauber erlagen.
Als er nun noch ein paar Schritte von ihr entfernt war, blickte er auf, und seine tiefblauen Augen verwirrten sie. Bisher war sie immer davon ausgegangen, dass seine Augen auf den Zeitschriftenfotos retuschiert worden seien. Doch selbst unter dem Schirm seiner Baseballcap strahlten sie durchdringend, und Ellie sog scharf Luft ein, als sein Blick sie kurz traf, bevor er zur Markise des Ladens glitt.
Mit überraschender Macht drängte sich ihr ein Gedanke auf: Er ist traurig. Sie hatte keine Ahnung, woher sie das wusste, doch sie war überzeugt, es stimmte. Unter allem anderen – einer unerwarteten
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