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Der geschmuggelte Henry

Der geschmuggelte Henry

Titel: Der geschmuggelte Henry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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funkelnden Wolkenkratzer New Yorks, die bis in den Himmel ragten, der nie stillstehende, brausende, lärmende Verkehr und die dröhnenden Schluchten am Fuß der gewaltigen Gebäude putschten die Nerven auf und ließen das Herz schneller schlagen. Die prächtigen Läden und Theater, die Wunder der Supermärkte waren Quellen nicht endender Begeisterung für Mrs. Harris. Wie sollte sie ihnen darum ihre Sehnsucht nach den grauen, armseligen Häusern, die sich meilenlang eins an das andere reihten, oder nach den traulichen, von Bäumen umsäumten stillen Plätzen oder den Straßen, wo jedes Haus in einer anderen Farbe gestrichen war, verständlich machen?
    Wie sollte sie’s ihren Freunden sagen, daß zu lange anhaltende Begeisterung ihren Reiz verlor, daß sie sich nach der stillen behaglichen Häßlichkeit von Willis Gardens sehnte, wo im Frühling das Hufgetrappel des Pferdes, das den Karren des Blumenhändlers zog, in die Stille hallte und das Vorbeifahren eines Taxis fast ein Ereignis war?
    Wie ließen sich all das Hasten und Jagen hier, das Neonlicht, die im Schein der elektrischen Lampen strahlende Stadt mit der gemütlichen Tasse Tee vergleichen, die Mrs. Harris und Mrs. Butterfield abends abwechselnd in ihren Kellerwohnungen in ihrem eigenen kleinen Winkel Londons tranken?
    Sie konnte auch nicht, ohne die Gefühle dieser guten Menschen zu verletzen, ihnen sagen, wie sehr sie beide eine andere Freude vermißten, und das war die Freude, ihrer täglichen Arbeit als Aufwartefrauen nachzugehen. In London brachte jeder Tag etwas anderes, ein neues Erlebnis. Man vernahm von etwas Gutem oder Schlechtem, das geschehen war, etwas, woran man sich entweder freuen oder über das man sich entrüsten konnte. Sie arbeiteten nicht für einen, sondern jede für ein Dutzend oder noch mehr, die alle verschieden in Charakter und Temperament waren. Jeder dieser Kunden hatte seine Hoffnungen, seine Sehnsüchte, seine Sorgen, seine Schwierigkeiten, seine Niederlagen und Siege, und Mrs. Harris und Mrs. Butterfield teilten das alles für eine oder zwei Stunden täglich mit ihnen. Sie lebten so statt einem ein Dutzend verschiedene Leben, reiche und erfüllte Leben, da ihre Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen sich ihnen anvertrauten, wie das in London zwischen Arbeitgeber und Putzfrau üblich ist.
    Wie würde die neue Freundin von Major Wallace sein? Jene, die er als eine soeben aus Rhodesien eingetroffene Kusine ausgegeben hatte, aber von der Mrs. Harris wußte, daß er sie zwei Abende zuvor in der «Antilope» kennengelernt hatte? Welche neuen Dienstleistungen, die man heiter, energisch und empört ablehnte, würde die Gräfin Wyszcinska am Morgen fordern? Stand im «Express» eine saftige Skandalgeschichte, in der berichtet wurde, wie Lord Soundso von seiner Frau ertappt worden war, als er mit Pamela Soundso hinter den Blattpflanzen auf der hübschen Party in Mayfair flirtete? Mrs. Fford Foulks, die mit den beiden F, eine witzige, attraktive geschiedene Frau, war gewiß dort gewesen, und wenn Mrs. Harris am nächsten Nachmittag erschien, um bei ihr zwischen drei und fünf reinzumachen, würde sie von ihr erzählt bekommen, was wirklich geschehen war, und dazu noch einige der pikanteren Einzelheiten, die der «Express», weil man ihn sonst wegen Beleidigung belangen konnte, hatte verschweigen müssen.
    Dann war da der Junggeselle, Mr. Alexander Hero, dessen Arbeit darin bestand, seine Nase in verwunschene Häuser zu stecken. Er hatte ein geheimnisvolles Laboratorium in den hinteren Räumen seines Hauses in Eaton Mews, und sie sorgte für ihn und bemutterte ihn, obwohl er ihr etwas unheimlich war. Aber es war angenehm gruslig, bei jemandem zu arbeiten, der mit Geistern in Verbindung stand, und sie genoß das.
    Selbst solche Kleinigkeiten wie, ob Mr. Pilkerton sein verlegtes Toupet wiedergefunden hatte, ob der orangefarbene Zwergpudel der Wadhams wieder genesen war, ein reizender, meistens kranker kleiner Hund, und ob Lady Dants neues Kleid rechtzeitig für den Jagdball fertig sein würde, gaben jedem Tag seinen besonderen Reiz. Und wie aufregend war es auch, wenn man sich plötzlich entschloß, einen Kunden aufzugeben, der einen unfreundlich behandelt oder gegen eine von der Putzfrauengewerkschaft festgelegte Verhaltensregel verstoßen hatte, und was für ein Abenteuer war es, an seiner oder ihrer Stelle einen neuen zu wählen: Der Gang zum Arbeitsvermittlungsbüro, das Verhör des eventuellen Kunden, die endgültige Entscheidung und dann der

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