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Der Gesellschaftsvertrag

Der Gesellschaftsvertrag

Titel: Der Gesellschaftsvertrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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eines Verbrechers aber, wird man einwenden, ist eine Privatsache. Geben wir dies zu. Diese Verurteilung steht nicht dem Staatsoberhaupte zu; es ist ein Recht, das er verleihen kann, während er es persönlich nicht ausüben darf. Alle meine Gedanken stehen in geordnetem Zusammenhange, wenn ich auch unfähig bin, sie alle auf einmal auseinanderzusetzen.
    Die häufige Wiederkehr von Todesstrafen ist stets ein Zeichen der Schwäche oder Schlaffheit der Regierung. Es gibt keinen Bösewicht, den man nicht zu irgend etwas tauglich machen könnte. Man besitzt nicht das Recht, jemanden zu töten, nicht einmal des abschreckenden Beispiels wegen, es müßte denn sein Fortbestand gefährlich sein.
    Das Recht der Begnadigung oder der Freisprechung des Schuldigen von der durch das Gesetz bestimmten und vom Richter ausgesprochenen Strafe gebührt nur dem, der über Richter und Gesetz steht, das heißt dem Staatsoberhaupte; sogar dessen Recht ist nicht völlig unanfechtbar, und nur in sehr seltenen Fällen wird er davon Gebrauch machen. In einem gut regierten Staate kommen wenige Bestrafungen vor, nicht weil das Begnadigungsrecht häufig angewandt wird, sondern weil sich wenige Verbrecher finden. Die Menge der Verbrechen sichert beim Verfalle des Staates ihre Straflosigkeit. In der römischen Republik fühlten sich weder die Konsuln noch der Senat je zu einer Begnadigung versucht; selbst das Volk begnadigte nicht, wenn es auch bisweilen sein eigenes Urteil zurücknahm. Häufige Begnadigungen geben zu erkennen, daß man für Freveltaten ihrer bald nicht mehr bedürfen wird, und jeder sieht ein, wohin das führt. Allein ich spüre, daß mein Herz sich empört und meine Feder zurückhält; wir wollen die Besprechung dieser Fragen dem Gerechten überlassen, der nie strauchelte und nie selbst der Gnade bedurfte.

6. Kapitel
Vom Gesetze
    Durch den Gesellschaftsvertrag haben wir dem politischen Körper zum Dasein und Leben verholfen; jetzt kommt es darauf an, ihn durch die Gesetzgebung mit Tatkraft und Willen zu erfüllen. Denn der ursprüngliche Akt, durch den er sich bildet und verbindet, veranlaßt noch nicht, was er zu seiner Erhaltung tun muß.
    Das an sich Gute und Ordnungsmäßige besteht lediglich durch die Natur der Sache und ist unabhängig von menschlichen Verträgen. Alle Gerechtigkeit kommt von Gott, er allein ist ihre Quelle; wären wir imstande, sie gleich von oben zu empfangen, so hätten wir weder Regierung noch Gesetze nötig. Ohne Zweifel ist eine allgemeine Gerechtigkeit vorhanden, die nur von der Vernunft ausgeht; allein um bei uns anerkannt zu werden, muß diese Gerechtigkeit gegenseitig sein. Betrachtet man die Dinge nur vom menschlichen Gesichtspunkte aus, so sind die Gesetze der Gerechtigkeit in Ermangelung einer natürlichen Bestätigung derselben unter den Menschen nicht verbindlich; sie dienen nur zum Besten des Bösen und zum Nachteil des Rechtschaffenen, wenn letzterer sie gegen jedermann beobachtet, während niemand sie ihm gegenüber befolgt. Es bedarf also gewisser Verträge und Gesetze, um die Rechte mit den Pflichten zu vereinbaren und die Gerechtigkeit auf ihr Gebiet zurückzuführen. Im Zustand der Natur, wo alles gemeinsam ist, habe ich niemandem etwas versprochen und bin deshalb auch niemandem etwas schuldig; ich gestatte dem anderen nur den Besitz dessen, was mir unnütz ist. In dem staatsbürgerlichen Zustand, wo alle Rechte durch das Gesetz bestimmt sind, ist das nicht der Fall.
    Aber was ist denn schließlich ein Gesetz? Solange man es dabei bewenden läßt, mit diesem Worte nur metaphysische Begriffe zu verbinden, wird man unaufhörlich Redensarten machen, ohne sich selber klar zu werden, und trotz aller Erläuterungen eines Naturgesetzes noch immer nicht besser wissen, was ein Staatsgesetz ist.
    Ich habe bereits gesagt, daß es über einen besonderen Gegenstand keinen allgemeinen Willen gebe. Dieser besondere Gegenstand betrifft nun den Staat oder betrifft ihn nicht. Betrifft er den Staat nicht, so kann ein Wille, an dem er unbeteiligt ist, in bezug auf ihn auch kein allgemeiner sein; betrifft jener Gegenstand dagegen den Staat, so bildet er ja einen Teil desselben. Dann entsteht zwischen dem Ganzen und seinem Teile ein Verhältnis, das zwei getrennte Wesen aus ihnen macht; das eine stellt der Teil, und das um ebendiesen Teil verminderte Ganze das andere dar. Allein das Ganze, dem ein Teil entzogen, ist nicht mehr das Ganze; und solange dieses Verhältnis fortbesteht, gibt es kein Ganzes mehr,

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