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Der Gesellschaftsvertrag

Der Gesellschaftsvertrag

Titel: Der Gesellschaftsvertrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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sondern es sind zwei ungleiche Teile vorhanden; daraus folgt, daß der Wille des einen in bezug auf den andern ebenfalls kein allgemeiner ist.
    Sobald jedoch das ganze Volk über das ganze Volk beschließt, nimmt es nur auf sich selbst Rücksicht, und bildet sich dann ein Verhältnis, so findet es ohne irgendeine Teilung des Ganzen nur zwischen dem ganzen Gegenstande unter einem Gesichtspunkte und dem ganzen Gegenstande unter einem andern Gesichtspunkte statt. Dann ist die Sache, über die man beschließt, ebenso allgemein wie der Wille, der beschließt; und diesen Akt eben nenne ich ein Gesetz.
    Wenn ich sage, daß der Gegenstand der Gesetze immer allgemein ist, so meine ich damit, daß das Gesetz die Untertanen insgesamt und die Handlungen an sich ins Auge faßt, dagegen nie einen Menschen als einzelnen und ebensowenig eine besondere Handlung. Demnach kann das Gesetz wohl bestimmen, daß es Privilegien geben soll, kann sie aber niemandem namentlich verleihen. Das Gesetz kann mehrere Staatsbürgerklassen schaffen und sogar die Eigenschaften angeben, die diesen Klassen Recht geben werden, kann aber nicht die Aufnahme dieses oder jenes in eine derselben verfügen. Es kann eine königliche Regierung und eine erbliche Thronfolge einführen, aber es kann weder einen König erwählen noch eine königliche Familie ernennen. Mit einem Worte: jedes mit einem Einzelwesen vorzunehmende Geschäft ist der gesetzgebenden Gewalt entzogen.
    Auf Grund dieser Vorstellung sieht man sofort, daß man nicht mehr danach fragen darf, wem die Gesetzgebung gebührt, da die Gesetze Akte des allgemeinen Willens sind; auch nicht, ob der Fürst über den Gesetzen steht, da er ein Glied des Staates ist, ebensowenig ob das Gesetz ungerecht sein kann, da niemand gegen sich selbst ungerecht ist; und ebenfalls nicht, wie man frei und doch zugleich den Gesetzen unterworfen sein kann, da letztere nur Verzeichnisse unserer eigenen Willensmeinungen sind.
    Ferner ist es begreiflich: da das Gesetz die Gesamtheit des Willens mit der des Gegenstandes verbindet, so ist der eigenmächtige Befehl irgendeines Menschen, wer er auch immer sein möge, niemals ein Gesetz; sogar was das Staatsoberhaupt über einen einzelnen Gegenstand verordnet, ist durchaus nicht ein Gesetz, sondern eine Verordnung, nicht ein Hoheits-, sondern Verwaltungsakt.
    Republik nenne ich deshalb jeden von Gesetzen regierten Staat, möge die Form der Verwaltung auch sein, welche sie wolle, denn nur in diesem Falle gebietet das Staatsinteresse und gilt jede Angelegenheit als Staatsangelegenheit. Jede rechtmäßige Regierung ist republikanisch. [Fußnote: Ich verstehe unter diesem Worte nicht bloß eine Aristokratie oder Demokratie, sondern jede von dem allgemeinen Willen, d. h. von dem Gesetze geleitete Regierung. Die Regierung darf, um rechtmäßig zu sein, nicht mit dem Staatsoberhaupte zusammenfallen, sondern muß die Dienerin desselben sein; dann ist sogar die Monarchie selbst Republik. Das werde ich im nächsten Buche klarzumachen suchen.] Was eine Regierung ist, werde ich späterhin erklären.
    Die Gesetze sind eigentlich nur die Bedingungen der bürgerlichen Gesellschaft. Das Volk, das Gesetzen unterworfen ist, muß auch ihr Urheber sein; nur denen, die sich verbinden, liegt es ob, die Bedingungen der Vereinigung zu regeln. Aber wie sollen sie sie regeln? Etwa auf Grund einer gemeinschaftlichen Übereinstimmung infolge einer plötzlichen Begeisterung? Besitzt der politische Körper ein Organ, um seine Willensmeinungen auszusprechen? Wer wird ihn mit der nötigen Voraussicht ausrüsten, um die Beschlüsse im voraus zu fassen und bekanntzumachen, oder wie wird er sie, sobald es sich nötig macht, aussprechen? Wie sollte eine blinde Menge, die oft nicht weiß, was sie will, weil sie selten weiß, was ihr heilsam ist, imstande sein, ein so großes, so schweres Unternehmen wie ein System der Gesetzgebung ist, von sich selbst auszuführen? Von sich selbst will das Volk immer das Gute, aber es erkennt dasselbe nicht immer von sich selbst. Der allgemeine Wille ist stets richtig, allein das Urteil, welches ihn leitet, ist nicht immer im klaren. Man muß ihn die Gegenstände so sehen lassen, wie sie sind, bisweilen so, wie sie ihm erscheinen sollen; man muß ihm den rechten Weg, den er sucht, weisen, ihn vor der Verführung durch den Willen einzelner hüten, ihm die Orte und Zeiten näher vor Augen stellen und den Reiz der gegenwärtigen und sichtbaren Vorteile durch die Gefahr der entfernten und

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