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Der Gesellschaftsvertrag

Der Gesellschaftsvertrag

Titel: Der Gesellschaftsvertrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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das Verhältnis aufzulösen. Wenn das Staatsoberhaupt regieren oder die Obrigkeit Gesetze geben will oder die Untertanen den Gehorsam verweigern, so folgt in der Regel Aufruhr. Macht und Wille handeln nicht mehr im Einklang, und der aufgelöste Staat wird auf diese Weise eine Beute des Despotismus oder der Anarchie. Kurz, wie es in jedem Verhältnis nur eine mittlere Proportionale gibt, so gibt es auch in einem Staate nur eine gute Regierung; da indessen tausenderlei Ereignisse die Verhältnisse eines Volkes ändern können, so können verschiedene Regierungen nicht nur für verschiedene Völker, sondern auch für dasselbe Volk in verschiedenen Zeiten tauglich und nützlich sein.
    Um von den verschiedenen Verhältnissen, die zwischen den äußeren Gliedern stattfinden können, eine einigermaßen deutliche Vorstellung zu geben, will ich die Volkszahl zum Beispiel nehmen, da sie ein am leichtesten auszudrückendes Verhältnis bildet.
    Nehmen wir an, daß der Staat aus zehntausend Bürgern bestehe. Das Staatsoberhaupt kann nur in der Gesamtheit und im ganzen betrachtet werden; jeder einzelne kommt dagegen als Untertan für sich allein in Betracht. Demnach verhält sich das Staatsoberhaupt zum Untertan wie zehntausend zu einem, das heißt, jedes Glied des Staates besitzt nur den zehntausendsten Teil der oberherrlichen Gewalt, obgleich er ihr gänzlich unterworfen ist. Gesetzt den Fall, das Volk bestehe aus hunderttausend Bürgern, so ändert sich die Stellung der Untertanen dadurch nicht, und jeder trägt in gleicher Weise die ganze Herrschaft der Gesetze, während seine auf den hunderttausendsten Teil zurückgeführte Stimme bei der Abfassung der Gesetze einen zehnmal geringeren Einfluß ausübt. Während nun der Untertan stets eins bleibt, nimmt das Verhältnis des Staatsoberhauptes mit der wachsenden Anzahl der Staatsbürger zu. Hieraus folgt, daß die Freiheit mit der Vergrößerung des Staates stetig abnimmt.
    Wenn ich sage, das Verhältnis nehme zu, so verstehe ich darunter, daß es sich von der Gleichheit entfernt. Je größer also das Verhältnis im mathematischen Sinne ist, desto kleiner ist es im gewöhnlichen. Im ersteren Sinne wird das Verhältnis der Zahl nach betrachtet und mit Hilfe des Exponenten gemessen, im letzteren seiner Identität nach betrachtet und seiner Ähnlichkeit nach veranschlagt.
    Je weniger nun der Wille der einzelnen mit dem allgemeinen, das heißt, je weniger die Sitten mit den Gesetzen übereinstimmen, desto mehr muß die hemmende Kraft zunehmen. Eine Regierung muß deshalb, will sie anders gut sein, mit der wachsenden Volkszahl immer stärker werden.
    Da andererseits die Vergrößerung des Staates den Trägern der Staatsgewalt mehr Versuchungen und Mittel gibt, ihre Macht zu mißbrauchen, so muß die Regierung größere Gewalt bekommen, das Volk in Schranken, und der Fürst seinerseits ebenfalls, um die Regierung im Zaume zu halten. Ich spreche hier nicht von einer unumschränkten Gewalt, sondern von der relativen Gewalt der verschiedenen Teile des Staates.
    Aus diesem doppelten Verhältnisse ergibt sich, daß die stetige Proportion zwischen Staatsoberhaupt, Fürst und Volk nicht etwa eine willkürliche Idee ist, sondern eine notwendige Folge der Natur des politischen Körpers. Ferner folgt daraus: da eines der äußeren Glieder, und zwar das Volk als Untertan unveränderlich ist und durch die Einheit dargestellt wird, so muß, so oft das doppelte Verhältnis zu- oder abnimmt, auch das einfache in gleicher Weise zu- oder abnehmen, und folglich das mittlere Glied verändert werden. Dies beweist, daß es keine an sich vorzügliche und unbedingt gute Regierungsverfassung gibt, sondern daß es ebenso viele ihrem Wesen nach verschiedene Regierungen geben kann wie ihrer Größe nach verschiedene Staaten.
    Wollte man dieses System ins Lächerliche ziehen und sagen, daß man, um diese mittlere Proportionale zu finden und den Regierungskörper zu bilden, nach meiner Beweisführung nur die Quadratwurzel aus der Volkszahl zu ziehen brauche, so würde ich erwidern, daß ich die Zahl nur als Beispiel anwende; daß sich die Verhältnisse, von denen ich rede, nicht allein nach der Zahl der Menschen berechnen lassen, sondern auch im allgemeinen nach der Summe der Tätigkeit, die sich aus der Menge der Ursachen ergibt; daß ich übrigens, wenn ich auch, um mich kürzer auszudrücken, einen Augenblick lang der Mathematik einige Ausdrücke entlehne, trotzdem sehr wohl weiß, daß bei geistigen Größen

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