Der Gesellschaftsvertrag
keine mathematische Bestimmtheit stattfindet.
Die Regierung ist im kleinen, was der politische Körper, der sie in sich schließt, im großen ist: eine geistige, mit gewissen Fähigkeiten ausgestattete Person, tätig wie das Staatsoberhaupt, leidend wie der Staat und fähig, sich in andere ähnliche Verhältnisse zerlegen zu lassen. In dem Moment entsteht eine neue Proportion und in dieser immer wieder eine andere, je nach der Reihenfolge der Zerlegungen, bis man schließlich zu einem unteilbaren Mittelgliede gelangt, das heißt zu einem einzigen Oberhaupte oder zu einer höchsten Behörde, die man sich inmitten dieser Progression wie die Einheit zwischen der Reihe der Brüche und der der Zahlen vorstellen kann.
Um uns nicht durch Vervielfältigung der Ausdrücke zu verwirren, wollen wir uns damit begnügen, die Regierung als einen neuen Körper im Staate zu betrachten, der vom Volke wie vom Staatsoberhaupte unterschieden und der Vermittler zwischen beiden ist.
Zwischen diesen beiden Körpern besteht der wesentliche Unterschied, daß der Staat durch sich selbst und die Regierung lediglich durch das Staatsoberhaupt existiert. Mithin ist der herrschende Wille des Fürsten nichts anderes oder soll wenigstens nichts anderes sein als der allgemeine Wille oder das Gesetz; seine Gewalt ist nur die in ihm vereinte Staatsgewalt; sobald er aus eigener Kraft irgendeinen willkürlichen und unabhängigen Akt vornehmen will, beginnt das Band des Ganzen sich zu lockern. Träte endlich der Fall ein, daß der Fürst einen besonderen Willen hätte, der tätiger als der des Staatsoberhauptes wäre, und er die in seinen Händen ruhende Staatsgewalt anwendete, um diesem besonderen Willen Gehorsam zu verschaffen, so daß man gleichsam zwei Oberhäupter hätte, eins dem Rechte und das andere der Tat nach, so würde sofort die gesellschaftliche Vereinigung aufgehoben und der politische Körper aufgelöst sein.
Damit der Regierungskörper indessen wirkliches Dasein und Leben erhalte, das ihn vom Staatskörper unterscheidet; damit alle seine Glieder in Übereinstimmung wirken und dem Zwecke entsprechen können, für den er bestimmt ist, hat er ein besonderes Ich nötig, ein seinen Gliedern gemeinschaftliches Gefühl der Zusammengehörigkeit, eine eigentümliche auf seine Erhaltung gerichtete Kraft und einen ebensolchen Willen. Dieses besondere Dasein setzt Zusammenkünfte, Beratungen, das Vermögen, zu erwägen und Beschlüsse zu fassen, sowie Rechte, Rechtsansprüche und Privilegien voraus, die dem Fürsten ausschließlich zustehen und den Stand der Obrigkeit um so ehrenvoller machen, je größere Mühe mit ihm verbunden ist. Die Schwierigkeit beruht darauf, dieses untergeordnete Ganze in dem Staatsganzen dergestalt zu ordnen, daß es die allgemeine Verfassung nicht durch Befestigung seiner eigenen ändere, daß es stets die zu seiner eigenen Erhaltung bestimmte besondere Gewalt von der Staatsgewalt, die zur Erhaltung des Staates dienen soll, unterscheide; kurz, daß es beständig bereit sei, die Regierung dem Volke und nicht das Volk der Regierung aufzuopfern.
Obgleich übrigens der künstliche Körper der Regierung das Werk eines andern künstlichen Körpers ist und gewissermaßen nur ein geliehenes und untergeordnetes Leben besitzt, so kann sie trotzdem mit mehr oder weniger Kraft und Geschwindigkeit handeln und sich sozusagen einer stärkeren oder schwächeren Gesundheit erfreuen. Endlich kann sie, ohne sich geradezu von dem Zwecke ihrer Einsetzung zu entfernen, je nach der Art ihrer Verfassung mehr oder weniger davon abweichen.
Aus allen diesen Verschiedenheiten gehen nur die verschiedenen Verhältnisse hervor, die zwischen der Regierung und dem Staatskörper bestehen müssen je nach den zufälligen und besonderen Beziehungen, infolge deren dieser Staat in unaufhörlicher Umwandlung begriffen ist. Denn oft wird die an sich beste Regierung die fehlerhafteste sein, wenn ihre Verhältnisse nicht nach den Mängeln des politischen Körpers, dem sie angehört, abgeändert werden.
2. Kapitel
Von dem Prinzip, das die verschiedenen Regierungsformen begründet
Um den allgemeinen Grund dieser Verschiedenheiten auseinanderzusetzen, muß ich hier das Prinzip und die Regierung unterscheiden, wie ich vorhin den Staat und das Staatsoberhaupt unterschieden habe.
Der obrigkeitliche Körper kann aus einer größeren oder kleineren Anzahl von Gliedern bestehen. Die Beziehung des Staatsoberhauptes zu den Untertanen war, wie ich gesagt habe, um so
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