Der Gesellschaftsvertrag
oft die Frucht der Überlegung. So habe ich denn bewiesen, daß die Regierung um so schlaffer wird, je mehr die obrigkeitlichen Personen zunehmen, und vorher habe ich bereits den Nachweis geliefert, daß die einschränkende Macht wachsen muß, je größer die Volkszahl wird. Hieraus folgt, daß das Verhältnis der obrigkeitlichen Personen zu der Regierung das umgekehrte des Verhältnisses der Untertanen zum Staatsoberhaupte sein muß, das heißt, je mehr sich der Staat vergrößert, desto mehr muß sich die Regierung zusammenziehen, so daß mit der wachsenden Volksmenge die Zahl der Vorgesetzten stetig abnimmt.
Übrigens spreche ich hier nur von der relativen Stärke der Regierung und nicht von ihrem richtigen Verhältnisse; denn je zahlreicher dagegen die obrigkeitlichen Personen sind, desto mehr nähert sich ihr Standeswille dem allgemeinen Willen, während, wie ich bereits gesagt, unter einer einzigen obrigkeitlichen Person dieser gleiche Standeswille nur den Charakter des Privatwillens annimmt. So verliert man auf der einen Seite, was man möglicherweise auf der anderen gewinnen kann, und die Kunst des Gesetzgebers besteht darin, daß er den Punkt zu bestimmen vermag, wo die Kraft und der Wille der Regierung, stets im gegenseitigen Verhältnisse, sich in dem für den Staat vorteilhaftesten Verhältnisse vereinigen.
3. Kapitel
Einteilung der Regierungen
Aus dem vorigen Kapitel hat man gesehen, weshalb man die verschiedenen Arten oder Formen der Regierungen nach der Zahl der Glieder, die sie bilden, unterscheidet; in diesem Kapitel wollen wir nun untersuchen, wie diese Einteilung vor sich geht.
Das Staatsoberhaupt kann zunächst die Regierung dem ganzen Volke oder doch dem größten Teile des Volkes übertragen, so daß es mehr mit obrigkeitlichen Ämtern betraute Staatsbürger als bloße Privatleute gibt. Diese Regierungsform nennt man Demokratie.
Oder es kann die Regierung in die Hände weniger legen, so daß die Zahl der einfachen Staatsbürger größer als die der obrigkeitlichen Personen ist; diese Regierungsform wird Aristokratie genannt.
Endlich kann es die ganze Regierung den Händen eines einzigen anvertrauen, von dem alle anderen Obrigkeiten ihre Macht empfangen. Diese dritte Form ist die allgemeinste und heißt Monarchie oder königliche Regierung.
Hierbei ist zu beachten, daß alle diese Formen oder wenigstens die beiden ersten mehr oder weniger gestaltungsfähig sind und sogar einen ziemlich weiten Spielraum zulassen; denn die Demokratie kann das ganze Volk umfassen oder sich auf die Hälfte beschränken. Die Aristokratie kann sich ihrerseits wieder von der Hälfte des Volkes an bis auf die kleinste Zahl von unbestimmbarer Größe beschränken. Sogar das Königtum ist einer Teilung fähig. Nach seiner Verfassung hatte Sparta beständig zwei Könige, und im römischen Reiche gab es mitunter acht Kaiser auf einmal, ohne daß man hätte sagen können, das Reich wäre geteilt gewesen. Auf diese Weise gibt es einen Punkt, wo eine Regierungsform in die andere übergeht, und man sieht, daß unter nur drei Benennungen die Regierung in der Tat ebenso vieler verschiedener Formen fähig ist, wie der Staat Bürger hat.
Noch mehr: da sich eine und dieselbe Regierung in gewisser Hinsicht wieder in andere Teile zu zerlegen vermag, von denen der eine auf diese, der andere auf jene Weise verwaltet wird, so kann aus der Verbindung dieser drei Formen eine Menge vermischter Formen entstehen, deren jede mit allen einfachen Formen multiplizierbar ist.
Man hat von jeher viel über die beste Regierungsform gestritten, ohne zu berücksichtigen, daß jede einzelne in gewissen Fällen die beste und in anderen die schlechteste ist.
Wenn in den verschiedenen Staaten die Zahl der höchsten Regierungsbeamten im umgekehrten Verhältnisse mit der Zahl der Staatsbürger stehen muß, so folgt daraus, daß im allgemeinen für die kleinen Staaten die demokratische Regierung, für die mittleren die aristokratische und für die großen die monarchische die geeignetste ist. Diese Regel ist die unmittelbare Folge des aufgestellten Prinzips; aber wer vermöchte die Menge der Umstände aufzuzählen, die Ausnahmen hervorrufen können.
4. Kapitel
Von der Demokratie
Wer das Gesetz erläßt, weiß besser als jeder andere, wie es vollzogen und ausgelegt werden soll. Es scheint demnach keine bessere Verfassung geben zu können als diejenige, in der die vollziehende Gewalt mit der gesetzgebenden verbunden ist. In gewisser Hinsicht macht
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