Der Gesellschaftsvertrag
schon als solche den Thron besteigen oder der Thron wird sie dazu machen.
Diese Schwierigkeiten sind unseren Schriftstellern nicht entgangen, aber sie lassen sich dadurch nicht in Verlegenheit setzen. Nach ihnen ist das beste Heilmittel, ohne Murren zu gehorchen; Gott gibt die bösen Könige in seinem Zorne, und man muß sie als Züchtigung des Himmels ertragen. Dergleichen Redensarten sind allerdings höchst erbaulich; aber ich weiß nicht, ob sie nicht besser auf die Kanzel als in ein Werk über die Staatskunst hingehörten. Was würde man von einem Arzte sagen, der Wunderdinge verspricht, während seine ganze Kunst darin besteht, seinen Kranken zur Geduld zu ermahnen? Daß man eine schlechte Regierung, wenn man sie einmal hat, ertragen muß, ist eine bekannte Sache, aber nun müßte die Frage sein, wie man eine gute findet.
7. Kapitel
Von den gemischten Regierungsformen
Genau genommen, gibt es eine einfache Regierungsform nicht. Ein Alleinherrscher muß untergeordnete Beamte, und eine Volksregierung ein Oberhaupt haben. In der Verteilung der vollziehenden Gewalt gibt es deshalb stets eine Abstufung von der größeren Anzahl zur kleineren, nur mit dem Unterschiede, daß bald die größere von der kleineren und bald die kleinere von der größeren abhängt.
Bisweilen ist die Teilung gleich, sei es nun dadurch, daß die wesentlichen Bestandteile wie in der englischen Regierung in gegenseitiger Abhängigkeit stehen, oder dadurch, daß wie in Polen die Macht jedes Teiles zwar unabhängig, aber unvollkommen ist. Letztere Form ist schlecht, weil es der Regierung dann an Einheit fehlt und der Staat der festen Verbindung ermangelt.
Welche Regierung ist nun besser, die einfache oder gemischte? Diese Frage hat die Politiker stets erregt, sie muß auf dieselbe Weise beantwortet werden, wie ich es früher bei der Frage über die Regierungsformen getan habe.
Die einfache Regierungsform ist schon um ihrer bloßen Einfachheit willen an und für sich die beste. Wenn aber die vollziehende Gewalt nicht genug von der gesetzgebenden abhängig ist, das heißt, wenn zwischen dem Fürsten und dem Staatsoberhaupte eine größere Übereinstimmung herrscht als zwischen dem Volke und dem Fürsten, so muß man diesem Mißverhältnisse durch Teilung der Regierung abhelfen, denn alsdann behalten zwar alle ihre Teile noch immer dieselbe Gewalt über die Untertanen, werden aber sämtlich durch die Teilung dem Staatsoberhaupte gegenüber schwächer.
Ferner läßt sich diesem Übelstande dadurch vorbeugen, daß man Zwischenbehörden einsetzt, die bei völliger Beibehaltung einer einheitlichen Regierung lediglich dazu dienen, die beiden Gewalten im Gleichgewichte zu halten und ihre gegenseitigen Rechte ungeschmälert zu lassen. Alsdann ist die Regierung nicht gemischt, sondern eine gemäßigte Regierung.
Auf ähnliche Weise kann ein Übelstand entgegengesetzter Natur beseitigt werden, indem man bei zu großer Schlaffheit der Regierung Einrichtungen schafft, um sie fester zusammenzufassen; dies geschieht in allen Demokratien. Im ersteren Falle teilt man die Regierung, um sie zu schwächen, im letzteren, um sie zu stärken, denn die höchsten Grade der Stärke wie der Schwäche kommen bei der einfachen Regierungsform in gleicher Weise vor, während die gemischten Formen eine mittlere Stärke gewähren.
8. Kapitel
Nicht jede Regierungsform ist für jedes Land geeignet
Da die Freiheit keine Frucht aller Himmelsstriche ist, so ist sie auch nicht allen Völkern zugänglich. Je mehr man über das von Montesquieu aufgestellte Prinzip nachdenkt, desto tiefer empfindet man seine Wahrheit; je mehr man es bestreitet, desto mehr Gelegenheit gibt man zu seiner Bestätigung durch neue Gründe.
In allen Regierungen der Welt verzehrt die Person des Staates, ohne je etwas hervorzubringen. Woher erhält sie nun, was sie verzehrt? Aus der Arbeit ihrer Glieder. Der Überschuß der einzelnen befriedigt das Bedürfnis des Staates. Hieraus folgt, daß der bürgerliche Zustand nur so lange Bestand haben kann, als der Ertrag der Arbeit die Bedürfnisse der einzelnen übersteigt.
Dieser Überschuß ist nun nicht in allen Ländern der Welt gleich. In einigen ist er ansehnlich, in anderen mittelmäßig, in noch anderen gleich Null, wieder in anderen sogar negativer Art. Diese Verschiedenheit hängt von der Fruchtbarkeit des Klimas, von der Art der Bearbeitung, die der Boden erfordert, von der Beschaffenheit seiner Erzeugnisse, von der Kraft seiner Bewohner, von
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