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Der Gesellschaftsvertrag

Der Gesellschaftsvertrag

Titel: Der Gesellschaftsvertrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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Männern übertragen wird, die ihnen am leichtesten ihre ganze Zeit widmen können, nicht aber, wie Aristoteles behauptet, damit den Reichen immer der Vorzug eingeräumt werde. Im Gegenteil ist es von hoher Bedeutung, dem Volke bisweilen durch eine entgegengesetzte Wahl den Beweis zu liefern, daß in dem Verdienste der Menschen durchschlagendere Gründe zur Bevorzugung liegen als im Reichtume.

6. Kapitel
Von der Monarchie
    Bis jetzt haben wir den Fürsten als eine moralische und kollektive Person betrachtet, die durch die Kraft der Gesetze vereint und Trägerin der vollziehenden Gewalt im Staate ist. Jetzt haben wir diese Gewalt als in den Händen eines leiblichen, eines wirklichen Menschen ruhend zu betrachten, der allein das Recht besitzt, nach den Gesetzen darüber zu verfügen. Ein solcher Mensch wird Monarch oder König genannt.
    Völlig im Gegensatz zu anderen Regierungsformen, in denen ein kollektives Wesen ein Einzelwesen darstellt, vertritt hier ein Einzelwesen ein Kollektivwesen, so daß die moralische Einheit, die den Fürsten bildet, zugleich eine physische Einheit ist, in der alle Fähigkeiten, die das Gesetz mit so großer Anstrengung in den andern vereinigt, sich schon von Natur vereinigt finden.
    So läuft der Wille des Volkes wie der Wille des Fürsten, die öffentliche Gewalt des Staates wie die besondere Gewalt der Regierung, kurz alles auf eine und dieselbe Triebfeder hinaus, alle Hebel sind in einer Hand, alles schreitet demselben Ziel entgegen; es gibt keine entgegengesetzten, einander zerstörenden Bewegungen, und man kann sich keine Art von Verfassung denken, in der eine geringere Kraftäußerung eine größere Wirkung hervorzubringen vermag. In Archimedes, der ruhig am Ufer sitzt und ein großes Schiff ohne Mühe flott macht, erblicke ich das Bild eines geschickten Monarchen, der seine ausgedehnten Staaten von seinem Kabinette aus regiert und jede Bewegung hervorruft, obgleich er selbst regungslos scheint.
    Wenn es nun auch keine Regierung gibt, die größere Kraft besitzt, so gibt es dafür auch keine, in der der Privatwille mehr Macht hat und die übrigen Willen leichter zu beherrschen vermag. Alles schreitet demselben Ziele entgegen, das ist richtig; allein dieses Ziel ist nicht das allgemeine Wohl, und selbst die Stärke der Regierung ist dem Staate beständig nachteilig.
    Die Könige wollen unumschränkt sein, und man ruft ihnen von fern zu, das beste Mittel dazu sei, sich die Liebe ihrer Völker zu erwerben. Dieser Satz ist sehr schön und in gewisser Hinsicht auch sehr richtig, unheilvollerweise wird man sich an den Höfen regelmäßig über ihn lustig machen. Die aus der Liebe der Völker entspringende Macht ist unzweifelhaft die größte, aber sie ist unsicher und bedingt; nie werden sich die Fürsten mit ihr begnügen. Die besten Könige begehren böse sein zu können, sobald es ihnen beliebt, ohne deshalb ihrer Macht beraubt werden zu können. Der politische Phrasendrescher hat gut reden, daß ja die Kraft des Volkes ihre eigene bilde, und es mithin zu ihrem größten Vorteile gereiche, wenn das Volk blühend, zahlreich und fruchtbar sei; sie wissen sehr wohl, daß dies unwahr ist. Ihr persönlicher Vorteil verlangt es, daß das Volk schwach, elend und unvermögend sei, ihnen je Widerstand entgegenzustellen. Bei der Annahme einer vollkommenen und steten Unterwürfigkeit der Untertanen würde es, wie ich gern gestehe, allerdings der Vorteil des Fürsten sein, daß das Volk mächtig wäre, damit diese Macht, die ja seine eigene wäre, ihn seinen Nachbarn furchtbar machte. Da dieser Vorteil indessen doch nur ein nebensächlicher und untergeordneter ist und beide Annahmen unvereinbar sind, so ist es natürlich, daß die Fürsten stets dem Satze den Vorzug geben, bei dem sie am ersten auf Nutzen rechnen können. Dies ist es, was Samuel den Israeliten eindringlich vorstellte und Macchiavelli mit größter Klarheit bewiesen hat. Indem sich letzterer den Anschein gab, als ob er den Königen Lehren erteilen wollte, gab er den Völkern die allerwichtigsten. Macchiavellis »Fürst« ist das Buch der Republikaner. [Fußnote: Macchiavelli war ein ehrlicher Mann und ein guter Bürger; da er jedoch vom Hause Medici abhängig war, sah er sich genötigt, bei der Unterdrückung seines Vaterlandes seine Freiheitsliebe zu verbergen. Schon die Wahl seines verruchten Helden (Cäsar Borgia) läßt deutlich seine geheime Absicht erkennen, und der Widerspruch zwischen den in seinem Buche vom Fürsten

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