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Der Gesellschaftsvertrag

Der Gesellschaftsvertrag

Titel: Der Gesellschaftsvertrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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Älteren vornahm, lag wohl darin, daß man dem Pöbel, aus dem sie bestand, nicht die Ehre zugestehen wollte, die Waffen für das Vaterland zu tragen; man mußte einen eigenen Herd besitzen, um das Recht zu seiner Verteidigung zu erlangen, und unter jenen unzähligen Lumpenkerlen, mit denen heutzutage die Heere der Könige prunken, ist vielleicht nicht ein einziger, der nicht zu jener Zeit, als die Soldaten noch Verteidiger der Freiheit waren, aus einer römischen Kohorte mit Verachtung gejagt worden wäre.
    Gleichwohl unterschied man in der letzten Klasse noch die Proletarier von den sogenannten capite censi. Erstere, die doch nicht völlig besitzlos waren, brachten dem Staate wenigstens Bürger zu, im Falle dringender Not sogar bisweilen Soldaten. Letztere dagegen, die durchaus nichts besaßen und nur nach Köpfen gezählt werden konnten, wurden als gar nicht vorhanden betrachtet, und Marius war der erste, der sich herbeiließ, sie anzuwerben.
    Ohne hier zu entscheiden, ob diese dritte Einteilung an sich selbst gut oder schlecht war, so glaube ich doch behaupten zu können, daß nur die einfachen Sitten der ältesten Römer, ihre Uneigennützigkeit, ihre Vorliebe für Ackerbau, ihr Widerwille gegen Handel und Gewinnsucht sie durchführbar machen konnten. Wo ist heutzutage ein Volk, bei dem die verzehrende Habgier, der unruhige Geist, das Gewebe von Listen, die unaufhörlichen Veränderungen, der beständige Wechsel des Vermögens einer solchen Verfassung auch nur eine zwanzigjährige Dauer gewähren könnten, ohne den ganzen Staat umzustürzen. Auch verdient bemerkt zu werden, daß in Rom die Sitten und die Zensur weit größeren Einfluß als diese Einrichtung hatten, um Mißstände in Rom zu bereinigen, und daß sich mancher Reiche in die Klasse der Armen verwiesen sah, weil er seinen Reichtum zu auffallend zur Schau gestellt hatte.
    Aus diesem allem läßt sich leicht ersehen, weshalb fast immer nur fünf Klassen erwähnt werden, obgleich es wirklich sechs gab. Da die sechste weder Soldaten für das Heer noch Stimmberechtigte für das Marsfeld [Fußnote: Ich sage für das Marsfeld, weil sich dort die Comitien centurienweise versammelten; nach den beiden andern Einteilungen versammelte sich das Volk auf dem Forum oder auch anderswo, und in diesem Falle hatten die capite censi ebensoviel Einfluß und Macht wie die ersten Bürger.] lieferte und in der Republik fast gar keine Verwendung fand, so kam sie selten für irgend etwas in Betracht.
    Der Art waren die verschiedenen Einteilungen des römischen Volkes. Jetzt wollen wir sehen, welche Wirkung sie in den Versammlungen hervorbrachten. Diese gesetzlich berufenen Versammlungen hießen Comitien; gewöhnlich wurden sie auf dem Forum oder dem Marsfelde abgehalten und zerfielen nach den drei Einteilungsformen, nach denen sie berufen wurden, in Comitien nach Curien, nach Centurien und nach Tribus. Die comitia curiata waren von Romulus, die c. centuriata von Servius Tullius und die c. tributa von den Volkstribunen eingeführt worden. Nur in den Komitien erhielt ein Gesetz Bestätigung, konnte eine obrigkeitliche Person gewählt werden; und da es keinen Bürger gab, der nicht in eine Curie, eine Centurie oder eine Tribus eingeschrieben war, so folgt daraus, daß kein Bürger vom Stimmrechte ausgeschlossen und das römische Volk rechtlich und tatsächlich wirklich Staatsoberhaupt war.
    Damit die Comitien auf gesetzlichem Wege versammelt würden und ihre Beschlüsse Gesetzeskraft erhielten, mußten drei Bedingungen erfüllt werden: erstens mußte die obrigkeitliche Behörde oder Person, die sie berief, die dazu nötige Vollmacht besitzen; zweitens mußte die Versammlung an einem gesetzlich erlaubten Tage stattfinden, und drittens mußten sich die Auguren günstig ausgesprochen haben.
    Der Grund der ersten Vorschrift bedarf keiner weiteren Erläuterung; die zweite ist eine polizeiliche Bestimmung; so war es nicht gestattet, die Comitien an Feier- und Markttagen abzuhalten, an denen die Landleute Geschäfte halber nach Rom kamen und deshalb nicht Zeit hatten, den Tag auf dem Forum zuzubringen. Durch die dritte hielt der Senat ein stolzes und unruhiges Volk am Zügel und mäßigte zu rechter Zeit die Hitze der aufrührerischen Tribunen, wenn dieselben auch mehr als ein Mittel fanden, sich von diesem Zwange zu befreien.
    Die Gesetze und die Wahl der Oberen waren nicht die einzigen Gegenstände, die von der Abstimmung der Comitien abhingen. Da das römische Volk die wichtigsten

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