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Der gestohlene Traum

Der gestohlene Traum

Titel: Der gestohlene Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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keine neuen Informationen liefern, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens begründen. Für ihn ist der Fall abgeschlossen, aber nicht für uns. Jetzt ist es halb zwölf. Um zwei Uhr werden sie mich wieder anrufen, und ich werde ihnen die feste Zusage geben müssen, dass du im Fall Jeremina nichts mehr unternehmen wirst. Ich flehe dich an, Nastja, meine Tochter muss so schnell wie möglich wieder bei mir sein. Vielleicht werden sie ihr gar nichts Schlimmes antun, aber sie ist in Angst und Schrecken und kann einen schweren psychischen Schaden davontragen. Sie hat es ohnehin nicht leicht gehabt, als Natascha . . .« Larzew verstummte und schwieg eine Weile. »Jedenfalls wirst du schuld sein, Anastasija, wenn ihr etwas zustößt, du allein. Und ich werde dir nicht verzeihen. Niemals.«
    »Und du selbst, Wolodja, du bist an gar nichts schuld? Hast du dir selbst überhaupt nichts vorzuwerfen?«
    »Was sollte ich mir vorwerfen? Dass ich für die Sicherheit meiner Tochter sorge? Sie haben mich gleich nach Nataschas Tod gegriffen. Ich habe mit meinem Schwiegervater gesprochen, aber er lehnt es kategorisch ab, nach Moskau umzuziehen. Sie haben in Samara Kinder und Enkel, und wie hätten wir hier in Moskau auch Zusammenleben sollen? Ich habe kein Geld, um eine größere Wohnung zu kaufen, und meine Schwiegereltern können ihre Wohnung in Samara nicht gegen eine Wohnung in Moskau tauschen, sie haben nur zwei Zimmer in einer riesigen Gemeinschaftswohnung. Mein Vater ist schon über siebzig, ein kranker alter Mann, der selbst Pflege braucht, er kann mir Nadja nicht abnehmen. Glaub mir, ich habe viele Möglichkeiten durchgespielt und sogar daran gedacht, eine Kinderfrau für Nadja zu nehmen, aber auch dafür reicht mir das Geld nicht. Ich wollte meine Stellung wechseln, doch daraus ist ebenfalls nichts geworden.«
    »Warum nicht?«
    »Weil überall da, wo mein Wissen gebraucht wird, auch die Mafia nicht weit ist. Ich hätte erneut wählen müssen. Entweder mit ihnen Zusammenarbeiten und damit zum Verbrecher werden oder Tag und Nacht um mein Kind bangen. Ich hätte eine ganz unqualifizierte, niedrig bezahlte Arbeit annehmen müssen, und das kann ich mir nicht erlauben. Weißt du, was Kinderkleidung kostet? Und die Schule für Nadja? Aber das weißt du natürlich nicht, über solche Dinge bist du erhaben, du musst ja nicht für Kinder sorgen.«
    »Nicht doch, Wolodja . . .«
    »Entschuldige, Nastja, es ist mir nur so herausgerutscht. Du musst mich verstehen, ich hatte keine andere Wahl.«
    »Warum bist du nicht zu Knüppelchen gegangen und hast es ihm gesagt? Ihm wäre bestimmt etwas eingefallen. Warum hast du dich ihm nicht anvertraut?«
    »Du verstehst nicht, Nastja. Ich bin nicht der Einzige. Es gibt viele, sehr viele wie mich. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie groß das Netz ist, das sie gespannt haben. Jeder kann ihr Mann sein, auch jeder von uns.«
    »Auch Knüppelchen?«
    »Ja, auch Knüppelchen.«
    »Das glaube ich nicht. Das ist unmöglich.«
    »Ich behaupte nicht, dass es so ist. Aber du musst begreifen, dass sie praktisch jeden irgendwo packen können, weil sie bestens informiert sind und über jeden von uns mehr wissen als die leibliche Mutter. Auch wenn Knüppelchen ganz aufrichtig versucht hätte, mir zu helfen, wäre er früher oder später auf einen ihrer Leute gestoßen, sie hätten alles erfahren und mich an der Gurgel gepackt. Hätte ich davon ausgehen können, dass ich bei der ganzen Kripo der Einzige dieser Art bin, hätte ich keine Sekunde gezögert und wäre sofort zu Gordejew gegangen. Oder zum Beispiel zu dir. Aber das ganze Unglück besteht ja darin, dass wir viele sind und einer es nicht vom anderen weiß.«
    »Bedeutet das, dass sie uns alle in der Hand haben und wir ihnen völlig hilflos ausgeliefert sind?«
    »Offenbar ist es so.«
    »Weißt du etwas darüber, wer sie sind? Setz dich doch endlich, hör auf, an der Tür zu stehen, wir müssen uns unterhalten. Und zieh deine Jacke aus.«
    Larzew löste sich langsam, unwillig von der Tür, nahm seine Jacke ab und ließ sie achtlos zu Boden fallen. Nastja begriff, dass seine Beine ihm nur widerwillig gehorchten, deshalb waren seine Bewegungen kraftlos und unsicher. Er warf einen Blick auf die Uhr.
    »Ich muss die letzte Metro noch erreichen«, sagte er, »sie wollen um zwei Uhr wieder anrufen.«
    »Lass nur«, sagte Nastja, »sie werden hier anrufen. Schließlich wissen sie genau, wo du hingegangen bist, nicht wahr? Zudem wird es für sie viel

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