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Der gestohlene Traum

Der gestohlene Traum

Titel: Der gestohlene Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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der Mann, der etwas kleiner war als der zweite.
    »Ich habe die Wahrheit gesagt. Ich habe Vika an diesem Tag nicht auf dem Bahnhof gesehen, ich schwöre es. Ich weiß nicht, was sie euch gesagt hat, ich weiß nicht, warum sie das getan hat, aber ich habe sie nicht gesehen!«
    »Gut, Kolobow, für heute glauben wir dir, aber über morgen müssen wir noch nachdenken. Wir haben unsere Leute bei der Polente, und wenn du über Vika und uns nur ein Sterbenswörtchen gesagt hast, weißt du selbst, was dir blüht. Gestehe lieber gleich, dann werden wir dich nur verprügeln. Aber wenn herauskommt, dass du uns belügst, bringen wir dich um. Also, Wassja, wie steht es?«
    »Ich habe nichts gesagt, ich schwöre es!« Wassja weinte fast vor Verzweiflung. »Ihr könnt es überprüfen, ich habe der Miliz nichts gesagt.«
    »Und wie steht es mit Vika?«
    »Ich habe sie nicht gesehen, ich habe sie wirklich nicht gesehen. Sie hat euch angelogen, um sich abzusichern, versteht ihr das denn nicht?«
    »Nun gut, Wassja, geh mit Gott. Aber sieh dich vor . . .«
    Kolobow trat mit weichen Knien unter dem Torbogen hervor und trottete wieder in Richtung Bahnhof.
    * * *
    Bei der morgendlichen Einsatzbesprechung fragte Gordejew zum ersten Mal seit anderthalb Monaten nach dem Stand der Ermittlungen im Mordfall Jeremina. Alle spürten, dass dieser Fall den Chef nicht im Geringsten interessierte, er war nur unzufrieden damit, dass die Ermittlungen stagnierten.
    »In zehn Tagen ist die Zweimonatsfrist der Voruntersuchung abgelaufen«, sagte er mit kalter Stimme. »Kamenskaja, berichte, was bisher geschehen ist.«
    Nastja gab mit tonloser Stimme einen allgemeinen Bericht, bemüht, die offenkundigen Ungereimtheiten in Grenzen zu halten.
    »Soeben haben wir erfahren, dass die Jeremina in Kartaschows Wohnung einen Zettel hinterlassen hat, bevor sie wegfuhr. Sie hat das einer Freundin gesagt, die bis gestern mit Schwangerschaftsproblemen im Krankenhaus war und von Jereminas Tod nichts gewusst hat. Als sie es erfahren hat, rief sie sofort bei uns an. Ihr selbst hat die Jeremina nichts erklärt, sondern nur gesagt, dass sie Kartaschow den besagten Zettel hinterlassen hat, an einer Stelle in der Wohnung, wo er ihn auf jeden Fall finden würde, wenn ihr etwas zustoßen sollte. Kartaschow scheint von diesem Zettel nichts zu wissen, jedenfalls hat er uns nichts davon gesagt. Zurzeit ist er leider nicht in Moskau, er ist für einige Tage weggefahren. Sobald er zurückkommt, werden wir eine Hausdurchsuchung bei ihm veranlassen, das ist bereits mit dem Untersuchungsführer abgestimmt.«
    »Wann kommt er zurück?«, fragte Gordejew.
    »Übermorgen.«
    »Schieb es nicht auf die lange Bank, Anastasija. Du arbeitest sehr langsam, die Frist läuft ab, und es ist noch so gut wie nichts passiert. Es wird immer nur geredet. Und jetzt verzögert sich die Sache wieder um zwei Tage. Das ist schlecht, sehr schlecht. . .«
    »Ich werde mir Mühe geben, Viktor Alexejewitsch.«
    »Wo ist dieser Kartaschow denn hingefahren?«
    »Nach Wjatka.«
    »Vielleicht solltest du die Miliz vor Ort bitten, ihn zu suchen und zu vernehmen. So könnten wir Zeit sparen«, schlug der Oberst mit unschuldiger Miene vor.
    »Der Untersuchungsführer ist kategorisch dagegen. Er besteht darauf, auf Kartaschows Rückkehr zu warten«, sagte Nastja mit fester Stimme.
    »Nun, er wird ja wissen, was er tut«, seufzte Gordejew. »Übrigens, Kamenskaja, das Jahr ist abgelaufen, und du warst noch nicht beim Gesundheitscheck. Tu das gleich morgen.«
    »Morgen geht es nicht, Viktor Alexejewitsch, ich muss . . .«, begann Nastja, aber Gordejew schnitt ihr das Wort ab.
    »Es interessiert mich nicht, was du morgen musst. Ich habe keine Lust, mich jeden Tag mit der Poliklinik herumzustreiten. Für alle gelten dieselben Regeln. Sei so nett und unterziehe dich morgen allen Untersuchungen. Morgen Abend muss die Bescheinigung auf meinem Tisch liegen, hast du mich verstanden?«
    »Ist gut«, seufzte Nastja ergeben.
    Nach der Besprechung schloss Nastja sich in ihrem Büro ein und wartete auf den Anruf ihres Chefs. Nach einigen Minuten läutete das Telefon.
    »Wie war es, Nastjenka? Habe ich dir sehr zugesetzt?«
    »Ja, sehr, Viktor Alexejewitsch«, lächelte sie in den Hörer. »Es hat mir in der Seele wehgetan. Aber Sie waren sehr überzeugend.«
    »Beschwere dich ruhig ein bisschen über deinen schrecklichen Chef. Und vergiss nicht, vor den Augen des erstaunten Publikums in der Poliklinik anzurufen und dich nach den

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