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Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest

Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest

Titel: Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anatoli Boukreev , G. Weston Dewalt
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Beziehung zu Charlotte Fox und Tim Madsen, die sich allmählich herauskristallisierte, beruhte auf unserer gemeinsamen Liebe zu den Bergen. Die anderen aus der Gruppe nahmen mir gegenüber eine eher vorsichtige Haltung ein. Pete Schoening und sein Neffe Klev, die ständig zusammensteckten, sonderten sich von den anderen ab. Für sie gab es zwischen einem russischen Bergsteiger und den Hochträgern wenig Unterschied. Vielleicht war ihre Reaktion auch eine Folge des kalten Krieges, der noch nicht lange zurücklag. Dazu kam, daß mein Englisch noch sehr zu wünschen übrig ließ und es Verständigungsschwierigkeiten gab. Ich war nicht imstande, die Initiative zu ergreifen, die von einem Bergführer erwarteten praktischen Ratschläge zu geben und dann auch noch darauf zu achten, daß sie befolgt wurden.
     
    Am 13. April, einem Samstag, durchstieg die Mountain-Madness-Gruppe ohne Zwischenfall erneut den Khumbu-Eisbruch und gelangte ins Western Cwm (ausgesprochen kum), dessen Panorama die Weitwinkelobjektive von keinem Standort aus zu erfassen vermochten.
    Das Western Cwm, ein leicht ansteigendes, mit Schnee und Eis bedecktes Gletschertal von vier Kilometern Länge, wird auf drei Seiten umgeben von den Verbindungsgraten und Gipfeln des Mount Everest, Lhotse und Nuptse, Hauptgipfeln des Everest-Massivs. Von hier aus hat man einen Blick, der einem vom Basislager aus versagt bleibt: der Everest-Gipfel – hochaufragend, majestätisch, stolz.
    Lene Gammelgaard, deren Selbstvertrauen und unerschütterliche Gelassenheit manche als aufgesetzt empfanden, war von der Schönheit, die sich vor ihr auftat, überwältigt. »Ich halte mich für ziemlich hartgesotten, mich berührt nicht leicht etwas so tief.« Beim Anblick der geschwungenen, sanft ansteigenden Talsohle des Western Cwm und des Berges, dessen Besteigung ihr Ziel war, vergoß sie abseits von den anderen heimliche Tränen.
     
    Eine halbe Gehstunde vom Endpunkt des Eisbruchs, auf dem Schnee und Eis des Western Cwm, hatten wir unser Lager I an einer Stelle aufgeschlagen, die ein wenig höher lag als vorgesehen. Auf dem Platz unserer Wahl drängten sich nämlich bereits die Zelte einiger anderer Expeditionen. Wir hielten den Standort jedoch für günstig und lawinensicher.
     
    Da sie auf ihren Wasservorrat achten mußten und sich aufwärmen wollten, machten sich die Mountain-Madness-Kletterer gleich nach ihrer Ankunft in Lager I daran, Schnee über ihren Kochern zu schmelzen, die von den Zeltstangen hingen. Sandy Pittman, die über ihre Erlebnisse in Lager I in einer NBC -Internet-Aussendung berichtete, sagte, daß die Höhe ihrem Verstand so zusetze, daß sie die Beobachtung schmelzenden Schnees so unterhaltsam empfände »wie das Fernsehprogramm«. Sie fand auch Worte des Dankes für Lene Gammelgaard, die mit ihr ein Zelt teilte und aus ihrem Rucksack einen Leckerbissen nach dem anderen hervorzog, kleine Aufmerksamkeiten eines ihrer dänischen Sponsoren. Während man in den Nachbarzelten zu Fertigpackungen griff, die nur mit heißem Wasser aufgegossen werden mußten, vertilgten die beiden genüßlich Trockenobst und Nüsse und löffelten etwas in sich hinein, das Sandy als »exotisches Nomadengericht aus dem Mittleren Osten« definierte. Klettern in großen Höhen kann zu Appetitlosigkeit führen, ein Problem, von dem in Sandys Internet-Aussendung nicht die Rede war. Worauf auch immer die persönlichen Differenzen zwischen Lene und Sandy beruhten, beide kämpften um dasselbe. Freundinnen oder nicht, sie steckten bis zu ihren Gletscherbrillen in der Sache drin und arbeiteten mit vereinten Kräften auf ihr Ziel hin.
     
    Am nächsten Morgen stiegen Boukreev und andere Expeditionsteilnehmer entlang dem Western Cwm auf die Höhe von Lager II auf, während die anderen unverzüglich zum Basislager hinuntergingen. Zum Abendessen waren alle wieder wohlbehalten vereint.
    Am 15. und am 16. April nahmen die Kletterer ihre Steigeisen ab und genossen die Ruhepause in vollen Zügen. Pfannkuchen, Yak-Käse-Omelettes und Starbucks-Kaffee, heiße Duschen, Sonnenbaden, die Lektüre eines Lieblingsbuches, ein Film auf dem Sony Watchman – das war das Programm des Akklimatisationsplanes an diesen zwei Tagen. Am 17. April war wieder Klettern angesagt.
     
    Alle Expeditionsteilnehmer mit Ausnahme von Sandy und Tim brachen sehr zeitig zu unserer dritten Tour auf den Khumbu-Eisbruch auf. Scott und ich hatten das Gefühl, unsere Leute wären nun imstande, es ohne ständige Aufsicht zu schaffen.

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