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Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest

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Titel: Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anatoli Boukreev , G. Weston Dewalt
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Stunden, eingerichtet hatten. Merkwürdigerweise erwähnte Pemba nichts vom Funkkontakt, den er laut Ingrid Hunt um sechzehn Uhr dreißig gehabt hatte, als versucht wurde, Sauerstoff den Berg hinaufzuschaffen. Auch im weiteren Verlauf des Abends erfuhr Boukreev nichts von einer eventuellen Notsituation oberhalb des Hillary Step.
     
    Die Funkverbindung zwischen Dr. Hunt im Basislager und Fischer sowie Lopsang auf dem Berg war problematisch, und während die Lage dort oben immer kritischer wurde, geriet Dr. Hunt zunehmend in Panik. »Ich gab eine Nachricht an Ngima (Sirdar im Basislager) durch, und er leitete sie auf Nepalesisch weiter an Gyalzen (Lager III) sowie an Pemba (Lager IV). Umgekehrt, wenn Pemba etwas übermitteln wollte, wenn etwas vom Berg herunter gemeldet wurde, gelangte es erst auf dem Umweg über Gyalzen und Ngima an mich.«
    Den ganzen Gipfeltag über hatte Dr. Hunt den Eindruck, daß sie von Ngima weder genaue noch vollständige Informationen bekam, daß Nachrichten »zurechtgemacht« wurden, um ihnen die richtige Durchschlagskraft zu geben. Und der Kontakt mit Pemba kam sehr sporadisch zustande. »Ich weiß nicht, warum.« Von Qualität und Quantität der Sherpa-Informationen frustriert, lief Dr. Hunt zwischen den eigenen Zelten und jenen Rob Halls hin und her. »Rob Halls Lager hatte die bessere Kommunikationsausrüstung, deshalb bekam ich dort mehr Informationen. Trotzdem meldete ich mich ständig über mein Funkgerät bei Ngima und frage: ›Schon was Neues?‹«.
     
    Um siebzehn Uhr fünfzehn, vielleicht auch ein wenig später, ging ich in mein Zelt, nahm Steigeisen, Rucksack und Stiefel ab und schloß das Zelt. Es stand so, daß ich den Südgipfel in 8748 Meter sehen konnte, aber ich sah jetzt nicht über 8300 Meter hinaus, die Höhe, wo die Untergrenze der Gewitterwolke lag. Aber noch immer machte ich mir keine Sorgen, weil dies für die Tageszeit nicht ungewöhnlich war und oft Wolken vom Berg geweht werden.
     
    Boukreev hielt sich eine gute halbe Stunde im Zelt auf, wärmte sich, beobachtete das Wetter und erwog alle Möglichkeiten, als Pemba mit heißem Tee kam.
     
    Ich hatte gehofft, ich würde nicht wieder hinauf müssen, weil dies nach dem Gipfelaufstieg eine große Belastung bedeutet. Aber mir war klar, daß man mit einer Besserung der Situation nicht rechnen konnte. Und da unsere Leute noch immer nicht angekommen waren, bat ich Pemba um eine Thermosflasche mit heißem Tee und drei Flaschen Sauerstoff.
    Es dauerte nicht lange, und Pemba kam mit dem Gewünschten zu mir ins Zelt. Ich steckte alles in meinen Rucksack und machte mich marschbereit.
     
    Um siebzehn Uhr fünfundvierzig erfuhr Dr. Hunt, »daß Lopsang und Scott knapp unter dem Südgipfel seien. Sie hätten keinen Sauerstoff mehr, und Scott sei sehr schwach.« Mit dieser Meldung änderte sich die Situation dramatisch. Erst hatte sie von Rob Hall erfahren, daß ein Teilnehmer von Mountain Madness sich oberhalb des Hillary Step in Schwierigkeiten befand. Tatsächlich aber handelte es sich um Doug Hansen, einen von Rob Halls Kunden, der letzte, der an diesem Tag auf den Gipfel gekommen war.
    Hansen, 1995 Teilnehmer an Halls Everest-Expedition, hatte damals eine große Enttäuschung erlebt, als Hall mit seinen Leuten am Südgipfel umgekehrt war. Zu seinem erneuten Versuch hatte ihn Hall ermutigt, der unbedingt wollte, daß Hansen noch eine Chance bekam.
    Am Gipfeltag war Hansen vor Tagesanbruch vor Lou Kasischke geklettert, der sich erinnerte, hinter Hansen gegangen zu sein, als dieser »aus der Reihe trat«. Hansen sagte zu Kasischke, daß »ihm kalt sei und er umkehren wolle«. Aber etwas mußte ihn angespornt haben, weiterzugehen, da kurz nach sechzehn Uhr, als Fischer vom Gipfel aufbrach, Hansen auf Rob Halls Arme zutaumelte und sich von ihm weiterschleppen ließ, zu dem Ziel, das zu erreichen Hall ihn ermutigt hatte. Kasischke konnte sich nicht genug wundern, warum Hansen zehn Stunden weitergegangen war, nachdem sein Entschluß zur Umkehr festgestanden hatte. »Doug hatte es sich anders überlegt. Aber warum? Ich weiß es nicht. Ich könnte mir denken, daß Rob ihn überredet hat.«
    Das Bild, das sich nun darbot und von dem die Teilnehmer nur Bruchstücke mitbekamen, war ein Alptraum. Es war siebzehn Uhr, und Rob Hall befand sich mit einem Kunden, dem der Sauerstoff ausgegangen war, oberhalb des Hillary Step. Lopsang war hinter Fischer zurückgeblieben, um sich zu vergewissern, daß sich Hansen in Halls Obhut befand. Er

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