Der Gipfel
in Windeseile die Route, die wir benutzen würden.
Schon jetzt ist abzusehen, daß die gesamte Aufstiegsroute einmal bis zum Gipfel durchgehend gesichert sein wird. Alle Expeditionen werden diese Route benutzen und die Sherpas als Unternehmer bezahlen. Der Tag wird kommen, an dem die Nepalesen diesen Berg so im Griff haben und vermarkten werden wie die Amerikaner den McKinley, doch wird es nicht ohne Quertreibereien und Proteste jener abgehen, die bis jetzt enorm von der Schwerarbeit unterbezahlter Sherpas profitiert haben.
Unser Team kam am 19. März im Basislager an. Dank des absolvierten Trainings brauchten wir keine Akklimatisation an diese Höhe. Vor uns lag der Eisbruch, immer ein bedeutsamer Schritt in der psychologischen Anpassung an das Ziel, die Everest-Besteigung, da er, in ständiger Veränderung begriffen, einen Sprung ins Unbekannte darstellt. Jede Durchsteigung bedeutet einen Schritt zur Überwindung der Angst. Jedes Detail verlangt Aufmerksamkeit. Man klettert stundenlang, quert riesige klaffende Gletscherspalten auf zu Brücken zusammengebundenen Leitern, bahnt sich seinen Weg bergauf durch Kaskaden sich verschiebender Eisblöcke von der Größe mehrstöckiger Häuser. Am 22. März stiegen wir mit allen Teammitgliedern für eine Akklimatisationsnacht zum Lager I auf. Alle hielten sich gut. Zeigten sich bei der ersten Durchsteigung der Route noch gewisse Unsicherheiten, kletterten die Leute beim zwei ten Mal schon viel selbstsicherer und zügiger.
Nachdem wir dieses überwunden hatten, kam die Abfolge von Aufstiegen und Ruhepausen zur weiteren Akklimatisation. Nach zwei Ruhetagen im Basislager stiegen wir am 26. bis zum Lager I in 6000 Meter Höhe auf und verbrachten dort die Nacht, um am 27. direkt zum Lager II auf 6500 Meter zu gehen. Dort blieben wir zwei Nächte und paßten uns bis auf eine Höhe von 6800 Meter an. Am 29. erfolgte der Abstieg zum Basislager, wo wir eine dreitägige Ruhepause einlegten. In diesem Jahr gab es weder bei den Teammitgliedern noch beim Stab gesundheitliche Probleme.
Unsere dritte Akklimatisationsphase begann am 1. April. Wir stiegen in acht Stunden direkt zum Lager II auf und verbrachten dort zwei Nächte. Am 4. April gingen wir bis auf 7000 Meter und kehrten zum Lager II zurück, wo wir den nächsten Tag rasteten. Am 6. April stießen wir bis Lager III in 7300 Meter vor. Die Fixseile zum Lager III waren inzwischen von Apa und unseren Sherpas angebracht worden. Der 7. April war für unsere Teammitglieder ein Ruhetag im Lager III.
Nun kam der Punkt, an dem sich erstmals Probleme in unserer Organisationsstruktur bemerkbar machten. Die Sherpas unterstanden nicht meiner Führung. Sie waren als Hilfen für gewisse Aufgabenbereiche angeworben worden: für das Anbringen der Seile, den Aufbau der Lager und den Transport der Vorräte. Die anfallenden Arbeiten waren diesmal besonders umfangreich, da wir die ersten auf der Route waren und die Hilfe anderer Sherpas wegfiel. Apa war darüber genauso unglücklich wie ich. Es zeigte sich, daß unsere Helfer allein die Leistung nicht erbringen konnten, die nötig war, um dem Team den stetigen Aufstieg in immer größere Höhen zu ermöglichen.
Mir war klar, wieviel ich Apa zumutete, aber die begrenzten Fähigkeiten und die mangelnde Erfahrung seiner Leute bremsten unsere Fortschritte sehr stark. Ich hatte beabsichtigt, unser Kletterteam im Zug der aktiven Akklimatisation am Südsattel übernachten zu lassen und bis zu einer Höhe von 8200 Meter aufzusteigen. Ebenso hatte ich auf 8500 Meter ein zusätzliches Höhenlager geplant, um eventuellen Problemen, die sich aufgrund eines verlangsamten Abstiegs oder eines Wettersturzes ergeben konnten, zu begegnen. Angesichts der kleinen Meuterei, zu der es unter den Sherpas gekommen war, mußte ich diesen Plan fallenlassen. Als Kompromiß half ich Apa beim Anbringen der Fixseile von Lager III zum Gelben Band auf 7500 Meter. Am 8. April stiegen wir mit acht Teammitgliedern bis zum Gelben Band auf und kehrten zum Lager III zurück. Dort verbrachten wir die Nacht und stiegen am 9. April zum Basislager ab.
Allmählich machten sich Unterschiede in Leistung und Kondition der Expeditionsteilnehmer bemerkbar, da Höhe und Anstrengung eine natürliche Selektion darstellen. So waren die Zivilisten unter den Kletterern weniger motiviert und nicht so auf das Ziel konzentriert wie die Berufssoldaten, von denen sich nun drei trotz ihres Mangels an Erfahrung als die stärksten Kandidaten für das Gipfel
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