Der Gipfel
Teammitglieds ist immer ein Fehl schlag, der den Gipfelerfolg zunichte macht. Über 8000 Meter sinkt die Sicherheitsmarge für den Amateur, auch für den durchtrainierten, überproportional. Ich konnte nicht für die Sicherheit einer Gruppe von Männern garantieren, die wenig oder gar keine Erfah rung auf den höchsten Gipfeln der Erde gesammelt hatten. Die Indonesier konnten sich meine Erfahrung kaufen, meine Ratschläge, meine Dienste als leitender Berater und als Mitglied eines Rettungsteams. Wenn sie aber auf den Gipfel des Mount Everest wollten, mußten sie einen Teil der Verantwortung für diese Anmaßung – denn das ist es für Unerfahrene – selbst übernehmen. General Prabowo versicherte mir, seine Leute seien überaus motiviert und tauglich, sie würden ihr Leben einsetzen, um dieses Ziel zu erreichen. Eine ehrliche, wenn auch schockierende Antwort.
Ich entwarf nun für mich ein Tätigkeitsprofil, das den Indonesiern ausreichend Gelegenheit bot, von meiner Erfahrung zu profitieren, das aber daneben auch ihre Eigenständigkeit förderte. Letztendlich trägt jeder für seinen Ehrgeiz selbst die Verantwortung, und auf dem Everest wird es am Gipfeltag trotz aller geleisteter Vorbereitung immer ganz eng.
General Prabowo stimmte zu, daß das Team vor Beginn der Ex pedition trainieren und Kondition aufbauen mußte. Ich wußte, daß wir Leute mit überragendem technischen Können und Höhenerfahrung brauchten, die während des Trainings und der Akklimatisation als Berater und am Gipfeltag als Rettungsteam zur Verfügung standen. Da das Konzept eines Rettungsteams für mich sehr wichtig war, legte ich besonderen Nachdruck darauf. Ich war nicht bereit, dem General einen Gipfelerfolg um jeden Preis zu garantieren.
Ich führte aus, daß ich die Expedition nicht unternehmen konnte, wenn mir nicht die letzten Entscheidungen am Gipfeltag vorbehalten blieben. Der General mußte die Möglichkeit akzeptieren, daß die Verfassung der Männer oder die Bedingungen auf dem Berg einen einigermaßen sicheren Gipfelvorstoß verhindern konnten. Darüber würde ich entscheiden. Er mußte auch akzeptieren, daß über 8000 Meter auch das beste Rettungsteam keine hundertprozentige Sicherheit garantieren kann. Sollte es aber Probleme geben, war ich gewillt, mein Leben beim Rettungseinsatz zu riskieren. Das war die Grundlage des Abkommens.
Unser Trainingsprogramm würde punktgenau ablaufen. Für den bevorstehenden Winter war eine Akklimatisation bei Kälte und Wind bis in einer Höhe von 6000 Meter vorgesehen. Wir würden Ausdau er und mentale Disziplin unter den harten Bedingungen testen, die uns auf dem Everest erwarteten. Das Trainingsprogramm sollte am 15. Dezember in Nepal beginnen.
Vierunddreißig Personen, Zivilisten mit einiger Bergerfahrung und Armeeangehörige, die keine Erfahrung im Gebirge hatten, dafür aber fit und diszipliniert waren, würden das Anfangsteam bilden. Aus diesen vierunddreißig Mann sollten dann die besten für unsere Expedition ausgewählt werden. Auswahlkriterien sollten Gesund heit, Ausdauer, Tauglichkeit und mentale Einstellung sein. In dieser Zeit sollte das Team mit der technischen Handhabung von Seilen und Leitern vertraut gemacht werden und natürlich die grundlegenden Klettertechniken erlernen.
Vergangenes Jahr war die Kommunikation eines der gravierendsten Probleme gewesen, eines, das mir erst bewußt wurde, als es zu spät war. Nicht nur die Sprachbarriere war eine ständige Quelle persönlicher Frustration, sondern auch unser unzulängliches Kommunikationssystem. Diesmal sollte jedes Teammitglied mit einem Funkgerät ausgestattet werden. Ich schlug vor, vom Basislager aus direkten Kontakt mit dem Nachschub in Kathmandu zu halten. Außerdem forderte ich, daß wir täglich Wetterberichte vom meteorologischen Dienst des Flughafens Kathmandu bekämen. In diesem Punkt erwies sich die militärische Verbindung als sehr vorteilhaft. Dank der Hilfe der nepalesischen Armee in Kathmandu wurde eine entsprechende Vereinbarung getroffen. Unser Expeditionsoffizier Monty Sorongan, der ausgezeichnet englisch sprach, würde als Kontaktmann in Kathmandu die Verbindung zwischen Berg und Nachschubservice herstellen. Unsere Verkehrssprache sollte Englisch sein: Ich wollte keine Mißverständnisse innerhalb des Kletterstabs, kein Übergehen von Meinungen oder Eindrücken der Verantwortlichen, nur weil es keine gemeinsame Sprache gab.
Als Bergführer brauchte ich einen zuverlässigen, technisch hervorragenden
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