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Der Gipfel

Der Gipfel

Titel: Der Gipfel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anatoli Boukreev , G. Weston DeWalt
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Verzweiflung und Demütigung am eigenen Leib erfahren. Während Neal Beidleman nach der erfolgreichen Besteigung des Makalu im Jahr 1994 mit den anderen amerikanischen Teamkollegen zurück in die Staaten jettete, war Boukreev gezwungen, sich im billigsten Hotel von Kathmandu einzuquartieren und seine Kletterausrüstung zu verhökern, um ein Ticket nach Alma-Ata kaufen zu können. Ein Blick in den Spiegel hatte ihm eines Tages gezeigt, daß er trotz der Strapazen des Makalu-Aufstiegs zugenommen hatte, weil die Expeditionsverpflegung viel besser war als alles, was es zu Hause gab. Alle seine amerikanischen Kameraden hin gegen hatten Gewicht verloren, manche sogar neun Kilo. Das war am Tiefpunkt seiner Karriere gewesen, den er bis jetzt noch nicht richtig überwunden hatte.
    Ich wollte Scott mit den Bergen in Kasachstan bekanntmachen und mit den Möglichkeiten, die sich dort boten. Die Chancen waren vorhanden und warteten nur darauf, genützt zu werden. Lange Zeit Trainingsgelände für Kletterer aus der ehemaligen Sowjetunion, stellten die Berge ein paar interessante Herausforderungen dar. Die Infrastruktur war spärlich, es gab nur wenige Hotels, doch strömte allmählich Kapital ins Land, und ich dachte mir, daß jemand mit Scotts Fähigkeiten etwas bewegen könnte.
    Am nächsten Morgen nahmen sich Fischer und Boukreev die Karten von Kasachstan und ein paar Broschüren über die Tien-Shan- und Pamir-Gebirge vor, die der Russe mitgebracht hatte. Fischers Neugierde war erwacht, er stellte viele gezielte Fragen, um dann die Rede unvermittelt auf den Everest zu bringen. Er wollte über Boukreevs dortige Erfahrungen sprechen. Wie alle Höhenbergsteiger, die über den Himalaja ständig auf dem laufenden waren, wußte Fischer von Boukreevs Erfolg mit Henry Todds Himalayan Guides im Jahr zuvor. Unter den sieben Kletterern, die Boukreev auf den Everest geführt hatte, befanden sich drei Erstbesteiger: der erste Waliser, der erste Däne und der erste Brasilianer.
    Scott redete viel vom Everest, und dann sprachen wir über die Probleme geführter Touren in großen Höhenlagen und welche Erfahrungen er in tieferen Regionen gemacht hatte. Er sagte, daß er nicht nur Interessenten für den Everest hätte; er hatte große Pläne für die Zukunft, für sämtliche Achttausender. Er dachte ernsthaft an eine kommerzielle K2-Expedition. Viele Amerikaner seien an der Teilnahme interessiert, sagte er. »Ich brauchte dazu gute Führer, ungefähr sechs, vielleicht Russen, die gewillt wären, das Risiko auf sich zu nehmen; es gibt nicht viele Amerikaner, die das tun würden.«
    Obwohl nur der zweithöchste Gipfel der Welt, gilt der K2 allgemein als der gefährlichste Achttausender. Bedingt durch seine Pyramidenform befinden sich die schwierigsten Passa gen in großer Höhe an seinen Flanken. Er ist eine der großen Herausforderungen in extremer Höhe. Der Schwierigkeitsgrad seiner Routen und die dramatischen, oft tragischen Berichte über Besteigungsversuche waren Fischer bekannt. Soweit Boukreev wußte, war Fischer bei einer der spektakulärsten Episoden mit von der Partie gewesen.
    Im August 1992 hatte Fischer nach der erfolgreichen Besteigung des K2 erschöpft und von einer Schulterverletzung behindert trotz Nacht und Schneesturm den Abstieg gewagt. Zusammen mit seinem Begleiter Gary Ball, der bewegungsunfähig an Fischers Klettergürtel fixiert hing. Gary Ball aus Neuseeland, Rob Halls Geschäftspartner, konnte sich wegen eines Lungenproblems nicht aus eigener Kraft fortbewegen. Fischers Heldentat half, sein Leben zu retten. 5

    Ich sagte zu Scott: »Was für den Everest gilt, gilt auch für den K2. Du weißt es. Du warst dort. Fehler dürfen dort nicht passieren. Man braucht gutes Wetter und viel Glück. Man braucht qualifizierte Führer, professionelle Bergsteiger, die extreme Höhen und den Berg kennen. Und die Kunden? Die muß man sorgfältig auswählen. Man braucht Leute, die der Verantwortung und Herausforderung großer Höhenlagen gewachsen sind. Das ist nicht der Mount Rainier. Beim Achttausender-Bergsteigen gelten andere Regeln. Man muß in den Teilnehmern Selbstvertrauen wecken, da man sie nicht immer an der Hand nehmen kann. Es wäre gefährlich zu behaupten, auf den Everest könne man so führen wie auf den Mount McKinley.« Scott lauschte aufmerksam und setzte mich dann in Erstaunen.

    »Ich brauche einen Kletterer mit Führerqualitäten«, sagte er. »Jemanden mit deiner Erfahrung. Komm mit mir auf den Everest.

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