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Der Gipfel

Der Gipfel

Titel: Der Gipfel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anatoli Boukreev , G. Weston DeWalt
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klauenbewehrte Fabelwesen zu sein schien, als für gewöhnliche Sterbliche in hinderlichen Daunenanzügen. Von diesem Punkt an mußten Fixseile bis zum Südgipfel auf 8748 Meter angebracht werden. Nach dem sie über eine Stunde gewartet hatten, sagte Beidleman zu Boukreev, er wolle den halberfrorenen Kunden vorausgehen und dafür sorgen, daß die Seile befestigt würden.

    Ich war mit Neal einer Meinung, da ich seine Entscheidung für sehr vernünftig hielt. Da ich mich gut akklimatisiert und so kräftig fühlte, daß ich damit rechnen konnte, gut voranzukommen, gab ich ihm meinen Sauerstoff. Ursprünglich hatte ich beabsichtigt, die Flasche zurückzulassen und beim Abstieg wieder mitzunehmen. In Anbetracht unserer Verspätung und der Schwerarbeit, die vor Neal lag, bot ich ihm meine Flasche an, und er nahm sie.

    Beidleman, hinter dem Klev Schoening ging, folgte Lopsang und Ang Dorje über eine kleine Bodenwelle und gelangte durch Neuschnee zu einem Sims, wo Lopsang vornübergebeugt dastand und sich erbrach. Beidleman, der sofort erkannte, daß man Lopsang die Schwerarbeit nicht zumuten konnte, holte aus dessen Packsack die Seile und machte sich mit Ang Dorje daran, sie bis zum Südgipfel zu fixieren. Stellenweise fanden sie alte Seile vor, die noch in Ordnung waren, an anderen Stellen mußten sie neue anbringen, eine sehr mühsame Arbeit. Während Beidleman und Ang Dorje weiterstiegen, war es Boukreev überlassen, die Kunden zu motivieren und sie wieder auf die Beine zu bringen.

    Ich trieb sie an, weil wir bereits über eine Stunde auf dem Balkon standen und weit hinter dem Zeitplan herhinkten. An den Fixseilen ließ ich mich von einigen überholen, in der Hoffnung, ich würde Scott sehen, doch das war nicht der Fall. Ich wollte mit ihm über unsere Leute sprechen, da wir seit dem Aufbruch vom Lager IV kein Wort mehr gewechselt hatten und ich wegen vieler Details unsicher war. Zwar war mir der Plan im großen und ganzen klar, doch hatte es inzwischen einige Änderungen gegeben. Sollte ich vorausgehen oder zurückbleiben? Sollte ich unbeirrt zum Gipfel vorstoßen oder den anderen helfen?

    Nachdem ich ihn auch nach längerem Warten nicht sah, stieg ich weiter, in der Meinung, er würde mich bald einholen, da er letzte Nacht mit Sauerstoff geschlafen hatte und ihn auch beim Klettern benutzte. Dann würden wir sprechen können. Beim Aufstieg sah ich, daß unsere Leute gut in Form, aber nicht bester Laune waren.
    Kurz vor zehn Uhr schaffte Beidleman den Südgipfel, und eine halbe Stunde später folgte ihm Martin Adams. Beidleman weiß noch, daß ihm die Verspätung Sorgen machte. »Ich war richtig kribbelig«, sagte er. Adams sagte, daß er und Beidleman etwa eineinhalb bis zwei Stunden alleine auf dem Südgipfel waren. »Im Grund bestand das Problem darin, daß es hinter uns an den Fixseilen zu einem Totalstau gekommen war. Ein paar von Rob Halls langsamen Teilnehmern waren unserer Gruppe im Weg.«
    Einer von Halls Kunden, Frank Fischbeck, dreiundfünfzig, Verleger aus Hongkong, hatte wenige Stunden nach dem Aufbruch kehrtgemacht und gehörte zu den ersten, die am 10. Mai den Rückweg antraten. Um zehn Uhr dreißig kamen Halls sieben andere Kunden zwischen dem Balkon und knapp unterhalb des Südgipfels ins Stocken, in bunter Reihe mit Fischers Kunden – ausgenommen Martin Adams – und den Taiwanesen.
    Wenn jeder seinen Sauerstoff entsprechend den Empfehlungen benützt hatte, dann war man nun bei der zweiten Flasche angelangt und hatte noch eine Reserve für ein bis zwei Stunden. Die dritten und letzten Flaschen (sechs weitere Stunden bei dem empfohlenen Verbrauch) mußten erst noch auf dem Südgipfel eintreffen. Die Sherpas, die den Reserve-Sauerstoff transportierten, waren wie die Kunden zwischen Südgipfel und Balkon aufgereiht. Einer aus Fischers Team bezeichnete die Situation als »totale Scheiße«.
    Drei von Halls Kunden – John Taske, sechsundfünfzig, Lou Kasischke und Stuart Hutchinson, vierunddreißig – steckten im hinteren Teil des Staus und kämpften sich die Seile hinauf, die Beidleman und Ang Dorje bis zum Südgipfel befestigt hatten. Sie kletterten hinter den Taiwanesen, die sie durch ihre Langsamkeit behinderten. Da sie getrennt voneinander auf stiegen, stellte jeder seine eigenen, von dünner Luft geprägten Überlegungen an und unterzog die Situation einer Analyse. Alle drei erwogen umzudrehen und abzusteigen.
    Lou Kasischke erinnerte sich: »Ich stieg an Jon vorbei, und dann kam Stu, der

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