Der Gipfel
Tages keinen von seinen Kunden zurück ins Lager IV geschickt, weil er mit keinem mehr Kontakt gehabt hatte, nachdem Lene Gammelgaard sich gleich zu Anfang von ihm getrennt hatte. Um vierzehn Uhr dreißig hatten alle seine Kunden, die zum Aufstieg aufgebrochen waren, das Dach der Welt erklommen. Nachzügler, die er hätte aufsammeln müssen, gab es nicht. Seine Gruppe konnte jetzt nur mehr eine einzige Richtung einschlagen, nämlich bergab. Aber keiner rührte sich bis fünfzehn Uhr zehn vom Gipfel. Vierzig Minuten lang wurde gefeiert, fotografiert, es gab Tränen, Glückwünsche und Schulterklopfen – und vierzig Minuten weniger Sauerstoff, vierzig Minuten weniger Tages licht.
Als Fischer das obere Ende des Hillary Step endlich erreicht hatte, wollte Adams nichts wie runter. Da aber Harris und Krakauer vor ihm dagewesen waren, fragte er sie, ob er ihnen den Vortritt lassen solle. »Dankbar hängten sie sich ein und ließen sich über die Kante gleiten«, sagte Adams.
Während Adams den Abstieg von Harris und Krakauer beobachtete, weil er es kaum erwarten konnte, bis sie unten ankamen und er ihnen folgen konnte, führte Boukreev kurz nach vierzehn Uhr dreißig ein Gespräch mit Fischer.
Ich sprach mit Scott, während er sich nach dem Hillary Step ausruhte. Auf meine Frage, wie er sich fühle, sagte er, daß er müde sei. Der Aufstieg sei ihn hart angekommen.
Ganz intuitiv wußte ich, daß es das Logischste war, wenn ich nun schleunigst zum Lager IV abstieg, um für unsere Gruppe mit Sauerstoff bereitzustehen, oder auch nur, um Tee und heiße Getränke vorzubereiten , 26 Ich war wieder bei Kräften und wußte, daß ich das alles schaffen konnte, wenn ich rasch abstieg. Vom Lager IV hatte ich einen ungehinderten Blick auf die Kletterroute zum Südsattel und konnte von dort aus beobachten, ob es Probleme gab.
Das alles sagte ich zu Scott, und er hörte mir zu und gab mir recht. Wir waren uns einig, daß ich absteigen sollte. Wieder versuch te ich, das Wetter abzuschätzen, und sah keinen Grund zu unmittelbarer Sorge.
Das Wetter war auch nicht besorgniserregend, während die Mountain-Madness-Kletterer sich auf dem Gipfel aufhielten. Klev Schoening erinnerte sich: »Der Wind auf dem Gipfel war stark. Ich spürte aber nicht, daß er stärker wurde, und bemerkte keine Anzeichen von drohendem Schneefall oder Schlechtwetter.« Auch Sandy Hill Pittman machte sich keine Sorgen ums Wetter, wohl aber um die Umkehrzeit. »Ich merkte nichts davon, daß das Wetter schlechter geworden wäre. Allerdings hatte ich das ungute Gefühl, daß wir spät dran waren, nicht weil man uns eine fixe Zeit für den Gipfel angegeben hätte, sondern weil ich aus Berichten wußte, wann man oben sein soll und wann man wieder absteigen muß. Meine Befürchtungen galten nicht dem Wetter, sondern der Verspätung.«
Lene Gammelgaard aber sah etwas, das sie beunruhigte. »Ehe ich über den Hillary Step weiter aufwärts ging bemerkte ich weißen Dunst, der alle Konturen verwischte, aus den Niederungen aufsteigen, und ich sah auch, daß der Wind über dem Gipfel an Stärke zunahm.« Sie hatte die Ausbildung eines Unwetters beobachtet, das sie und ihre Kameraden binnen weniger Stunden einholen sollte, auf dem Abstieg, dem gefährlichsten Teil einer Everest-Expedition, wenn man am verletzlichsten und gefährdetsten ist.
Am Fuß des Hillary Step setzte Adams seinen Abstieg entlang des Südostgrats fort und sah kurz vor dem Südgipfel jemanden im Schnee liegen. »Ich bin auf der Traverse, und da liegt Krakauer und hängt an einem Pickel in einer Art Selbstsicherung. Er hatte den Griff in den Schnee gerammt und hielt sich an der Haue fest. Ich fragte mich, was ich tun solle, da keiner von uns an einem Fixseil gesichert war. 27 « Wie bei Sandy Pittman ein Stück weiter oben, war auch Krakauers Sauerstoffflasche leer.
Direkt hinter Adams kam Boukreev, der Adams mit den Worten antrieb: »Geh schon, geh, geh.« Boukreev wollte nicht, daß Adams stehen blieb. Klev Schoening, der wenig später kam, sagte: »Als ich vom (Hillary-) Step zum Südgipfel kam, steckte Jon Krakauer in der Klemme, und das hielt mich auf. Helfen konnte ich ihm nicht, dazu fehlte mir jede Voraussetzung. Aber ich wollte bleiben und warten, bis etwas unternommen wurde, weil sie (das Hall-Team) zwei Führer auf der Strecke hatten.«
Wie Sandy Pittman hatte auch Krakauer das Glück, daß ihm jemand aus seiner Expedition Hilfe leistete. Mike Groom, der ungefähr gleichzeitig mit den
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