Der Gipfel
Mountain-Madness-Partner aber erklärte: »Man zeigte sich ihr (Dickinson) gegenüber sehr kleinkariert. Ich glaube, man wollte im Grund erreichen, daß Mountain Madness praktisch für alles aufkäme, und er (Krakauer) nicht einmal seine Unkosten selbst bezahlen sollte. Mountain Madness hätte also aus eigener Tasche zusetzen müssen, um ihn dabei zuhaben. Man kennt das ja. An einem gewissen Punkt wandte Outside sich an Rob (Hall) und fragte: ›Okay, wieviel verlangst du?‹ und Rob sagte: ›Noch weniger‹. Das war’s dann!« Fünf vor zwölf sicherte Outside Krakauer einen Platz bei Adventure Consultants.
Ein Sprecher von Outside erklärte, die Entscheidung, Halls Angebot anzunehmen, sei nicht ausschließlich »aus finanziellen Gründen« gefallen, man hätte ebenso in Erwägung gezogen, daß er »erheblich mehr Führungserfahrung auf dem Everest besäße, sein Ruf in Sachen Sicherheit besser sei und er laut Jon Krakauer auch ein besseres Sauerstoffsystem hätte«.
Wütend über die Entscheidung von Outside sagte Fischer: »Das ist wieder mal typisch für die Medien!« Einem Freund war Fischers »entlarvende« Erwiderung im Gedächtnis geblieben: »Er war der Meinung, daß es ein richtig fieser Schachzug von Outside war, zuerst so zu tun, als ob, und aus Karen (Dickinson) jede Menge Informationen herauszulocken, um dann wegen einer minimalen Preisdifferenz Rob den Zuschlag zu geben.«
Eine Gelegenheit geht, die andere kommt, möglicherweise sogar eine bessere. Mountain Madness gelang es, die vierzigjährige Sandy Hill Pittman, Mitarbeiterin von Allure und Condé Nast Traveler, als Teilnehmerin zu gewinnen. Sandy hatte die höchsten Gipfel auf sechs von sieben Kontinenten bezwungen, nicht aber den Everest Bei ihren zwei Versuchen – einem davon mit David Breashears vom IMAX/IWERKS-Team – hatte sie unterhalb des Gipfels umkehren müssen.
Sandy Pittman war ein Knüller. Sie verfügte über mehr Höhenerfahrung als Krakauer, und sie hatte ein Übereinkommen mit NBC Interactive Media, täglich einen Beitrag für World Wide Web (www.nbc.com/everest) 3 ins Internet einzuspeisen. Gelang es Fischer, sie bis zum Gipfel zu bringen, bedeutete das für ihn eine unbezahlbare Publicity. Aber erst mußte er sie natürlich hinaufbekommen – und das wußte Fischer.
»Ich glaube, Fischer sah sie als Prestigeobjekt«, sagte einer seiner Freunde. »Bringt er sie rauf – wumm! Dann schreibt sie über ihn, spricht über ihn und läßt ihn auf ihrer Erfolgswelle mitreiten.« Schaffte er es aber nicht, konnte sich das für ihn als Publicity-Fiasko erweisen. Eine Partnerin sagte, sie könne sich gut vorstellen, wie Sandy Pittman jammern würde: »Scott Fischer ist schuld, er ist schuld. Er wollte mich nicht rauflassen. Ich hätte es geschafft.«
Um seine Klientel zum Gipfel zu bringen, hatte Fischer drei Führer engagiert und seine potentiellen Kunden über deren Mitarbeit informiert. In seinem Werbematerial stellte er sie vor: Nazir Sabir aus Pakistan, ein altgedienter Führer und Expeditionsleiter, der mehrere Achttausender bezwungen hat; Neil Beidleman, Luftfahrttechniker, Bergsteiger und Ultra-Marathonläufer aus Aspen, Colorado, und Anatoli Boukreev.
Boukreev, achtunddreißig, gebürtiger Russe, wohnhaft in Alma-Ata, Kasachstan, galt als einer der hervorragendsten Höhenbergsteiger der Welt. Bis zum Frühjahr 1966 hatte er sieben der anspruchsvollsten Achttausender der Erde bezwungen (einige mehrmals), alle ohne künstlichen Sauerstoff. 4
1 Die Everest-Expeditionen hatten sich verändert. Organisatoren, die früher vor allem auf Unterstützung von Staat und Industrie setzten, hielten nun zunehmend nach Leuten mit annehmbarer Klettererfahrung und Geld Ausschau, die gemeinsam eine Expedition »kaufen« konnten. Auf diese Weise suchten der Extrembergsteiger und der ernsthafte Amateur gemeinsam in einer Expedition den Weg auf die höchsten Gipfel der Erde.
2 Fischer hatte einiges vorzuweisen. Er besaß einschlägige Erfahrung, da er schon im Alter von vierzehn Jahren mit der Kletterausbildung begonnen hatte. Als Absolvent der National Outdoor Leadership School in Wyoming hatte er sich einen guten Ruf als Lehrer für Klettern und Bergsteigen erworben und war als ausgezeichneter Bergführer bekannt, der zahlreiche erfolgreiche Expeditionen auf seinem Konto verbuchen konnte.
3 Als man bei Drucklegung der Originalausgabe dieses Buches die Archive des World Wide Web durchforstete, waren die Dateien leer.
4 Es
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