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Der Gitano. Abenteuererzählungen

Der Gitano. Abenteuererzählungen

Titel: Der Gitano. Abenteuererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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er sich bemühte, mit dem von der Schulter genommenen Felle ein Signal zu geben. Vom jenseitigen Ufer hatte sich eine Canoe abgelöst, in welchem zwei Indianer standen, die mit kräftigen Ruderschlägen dem Dampfer zustrebten. Sie kamen, ihren Häuptling abzuholen. Der Sohn der Prairie kennt keine Station; er nimmt Abschied von der Civilisation da, wo es ihm paßt und er die Seinen zu treffen meint.
    Da legte sich eine Hand auf seine Schulter und eine zitternde Stimme sprach:
    »Du darfst nicht gehen; Du hast mir meine Tochter gerettet, und ich will Dir dankbar sein!«
    Der Indianer drehte sich um, maß den Sprecher langsam vom Kopfe bis herab zu den Füßen. Seine Gestalt reckte sich in die Höhe; seine Augen blitzen leuchtend über die Umstehenden, und seine Stimme klang scharf und hell als er die ersten Worte sprach, welche man von ihm hörte:
    »Der weiße Mann irrt. Nicht seine Tochter habe ich retten wollen, sondern der rothe Mann ist nur deßhalb in die Fluthen des heiligen Vaters gesprungen, weil er sich fürchtete vor dem Stachelschweine, welches ihr losgelassen habt!«
    Mit stolzem Neigen des Hauptes drehte er sich um, stieg das niedergelassen Fallreep hinab und fuhr mit seinen beiden Leuten davon. Noch lange sah man sein reiches, mähnenartiges Haar wehen. Noch lange lag der Klang seiner Stimme den Hörern im Ohre, und noch heute denke ich an Inn – nu – woh, wenn von einem Menschenkinde die Rede ist, welches den Namen eines Helden verdient.

Nr. 2.
Old Firehand
    »Mein Frühling ging zur Rüste,
    Ich weiß gar wohl warum:
    Die Lippe, die mich küßte,
    Ist worden kühl und stumm.«
     
    So klang es über die weite Ebene hin, und Swallow, mein wackerer Mustang, spitzte die kleinen Ohren, schnaubte freudig durch die Nüstern und hob graziös die feinen Hufe wie zum Menuett.
    Warum grad’ dieses Lied, welches ich zuletzt vor drei Monaten in Cincinnati von einer Tyroler Gesellschaft gehört hatte, mir über die Lippen tönte, ich weiß es nicht. Noch hatte mich kein Mund geküßt, und mein Frühling konnte also wohl beginnen, doch beileibe nicht schon zu Ende sein; aber das Leben war mir bisher Nichts gewesen als ein Kampf mit Hindernissen und Schwierigkeiten; ich war einsam und allein meinen Weg gegangen, unbeachtet, unverstanden und ungeliebt, und bei dieser inneren Abgeschiedenheit hatte sich eine Art Weltschmerz in mir entwickelt, zu welchem der klagende Inhalt dieser Strophen recht gut paßte.
    Schon neigte sich die Sonne demjenigen Theile der Rocky-Mountains, welcher die Grenze zwischen Nebraska und Oregon bildet, zu, und noch immer ließ sich keine Senkung der mit gelbblühendem Helianthus übersäeten Ebene wahrnehmen. Das Pferd bedurfte der Ruhe; ich selbst war müde, und so sehnte ich mich je länger desto mehr nach New-Venango, wo ich mich von langer Wanderung einmal einen ganzen Tag lang gehörig ausruhen und die ziemlich alle gewordene Munition wieder ergänzen wollte.
    Plötzlich hob Swallow das Köpfchen seitwärts und stieß den dampfenden Athem mit jenem eigenthümlichen Laute aus, durch welchen das ächte Prairiepferd das Nahen eines lebenden Wesens signalisirt. Mit einem leisen Rucke war es zum Stehen gebracht, und ich wandte mich auf seinem Rücken, um den Horizont abzusuchen.
    Da, seitwärts von meinem Standorte, nahte ein Reiter, welcher grad’ auf mich zuhielt und sein Pferd weit ausgreifen ließ, und da die Entfernung zu groß war, um genau unterscheiden zu können, so griff ich zum Fernrohre und gewahrte zu meiner nicht geringen Verwunderung, daß dieser Reiter nicht ein Mann, sondern ein Frauenzimmer sei.
    »Alle Teufel, eine Dame, hier im ›
far West
‹, mitten in der Prairie, und gar mit Reitkleid und wehendem Schleier!« fuhr es mir über die Lippen, und erwartungsvoll schob ich Revolver und Bowiemesser, welche ich vorsichtig gelockert hatte, wieder zurück. »Oder ist’s gar der ›
flats-ghost
‹, der Geist der Ebene, welcher auf feurigem Rosse über die
Woodlands
fliegen soll, um die weißen Menschen von den Jagdgründen ihrer ›rothen Brüder‹ zu vertreiben!«
    Mit einigem Bedenken musterte ich meinen äußeren Adam, welcher mir allerdings nicht sehr courfähig erschien. Die Moccassins waren mit der Zeit höchst offenherzig geworden; die Leggins glänzten, da ich sie bei der Tafel als Serviette zu gebrauchen pflegte, vor Fett; das sackähnliche, lederne Jagdhemde verlieh mir den würdevollen Anstand einer von Wind und Wetter maltraitirten Krautscheuche, und die

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