Der Gitano. Abenteuererzählungen
Tropensonne nicht getheilt hätte. Er verließ nach kurzer Zeit das Zimmer wieder und begab sich in den Garten. Von hier aus bemerkte er, daß man die im Walde liegen gebliebenen Bravero’s brachte. Er eilte zu der Gruppe, welche die geschwärzten Gestalten umgab, und erfuhr, daß man nur die Todten angetroffen hatte, während die Verwundeten verschwunden waren.
Auch der Graf trat hinzu.
»Wascht ihnen die Gesichter! Vielleicht finden wir ein bekanntes unter ihnen.«
Man leistete dem Befehle Folge, und kaum hatten die Züge der ersten der fünf Leichen ihre ursprüngliche Farbe erhalten, so rief einer der Arbeiter:
»
Per dios,
der Alkalde von Morelia!«
»Ja, er ists, ich kenne ihn,« bestätigte der Graf. »Wie kommt ein solcher Beamter unter die Banditen?«
Forster bog sich nieder, um die Kleidung des Mannes, dem eine seiner Kugeln in die Brust gedrungen war, zu untersuchen. Er öffnete die Knöpfe derselben und bemerkte, daß das Leben noch nicht völlig aus ihm gewichen sei.
»Habt Ihr nicht bemerkt, daß er noch athmet? Wasser herbei!«
Die Brustwunde war tödtlich; die Kugel mußte in die unmittelbare Nähe des Herzens eingedrungen sein. Bei der Untersuchung des kleinen Loches, welches ihren Weg bezeichnete, zuckte der Verwundete schmerzhaft zusammen. Forster ließ sich dadurch nicht stören. Gerade dieser Schmerz war am Besten geeignet, das geschwundene Bewußtsein wenn auch nur auf kurze Augenblicke zurückzurufen. Wirklich öffneten sich die geschlossenen Lider, sanken schwer wieder nieder und erhoben sich dann langsam zum zweiten Male, um dem Blicke Raume zu geben, die Umgebung zu erfassen.
Der Graf bog sich zu ihm nieder.
»Antonio Molez, der Tod hat Euch ergriffen. Wollt Ihr ohne Bekenntniß sterben?«
Der Gefragte schwieg. Er mußte sich erst auf das Geschehene besinnen. Dann hauchte er:
»Vergebt!«
Forster zog den Brief aus der Tasche und hielt ihm diesen vor die erstarrenden Augen.
»Habt Ihr das geschrieben?«
»Ja.«
»Wo ist Euer Bruder?«
»Im Walde. Er – wollte – – den Grafen – befreien.«
»Ihr seht, Don Hernano, daß ich Euch die Wahrheit mittheilte.« Dann wandte er sich wieder zu dem Sterbenden: »Wohin kehrt er aus dem Walde zurück?«
»Ich – weiß es nicht. Santa Madonna – bitte für mich – ich sterbe. Ich wollte – reich werden – mein Amt schützte mich – – ich bin der Anführer der – – –«
Sein Oberkörper erhob sich unter einer konvulsivischen Bewegung; ein Blutstrom entquoll seinem Munde; er sank todt zurück.
»Gott sei seiner Seele gnädig! Er war der Anführer der Bravero’s und hatte seinen schlimmsten Streich gegen mich gerichtet Ich vergebe ihm!« sprach der Graf.
Die andern Vier waren ohne Leben; die fünf Leichen wurden bis auf Weiteres unter Verschluß gebracht.
Beim Diner, welches die drei Personen im Speisesaale vereinigte, war der Ueberfall natürlich Hauptgegenstand des Gespräches. Don Hernano sann lange vergebens auf eine Art und Weise, seine Erkenntlichkeit zeigen zu können, ohne unzart zu sein. Da endlich kam ihm ein Gedanke, und er mußte es bewundern, nicht sofort auf denselben verfallen zu sein. Der Zweck des Ueberfalls war gewesen, sich die Gunst des Grafen zu erwerben, um durch ihn in den Besitz billiger Ländereien zu kommen. Konnte dieser Zweck nicht jetzt zum Mittel werden, den Retter zu belohnen? Er schien kein reicher Mann zu sein, und das Geschenk von einigen Legua’s guten Landes verursachte dem Grafen ja nicht die mindeste Schwierigkeit. Er faßte den Entschluß, diesen Gedanken auszuführen und die bezüglichen Papiere sofort bei seiner Ankunft in Mexiko ausfertigen zu lassen.
Da erschallten eilige Huftritte vom Thore her; die beiden nach Morelia gesandten Boten kehrten zurück und traten bald darauf in den Speisesaal.
»Nun?« frug der Graf, in ihren Gesichtern eine wichtige Botschaft lesend.
»Wir haben ihn.«
»Ah! Das ist ja über alles Erwarten schnell gegangen.«
»Er traf eben ein, als die Polizei das Haus des Alkalden besetzt hatte.«
»Leistete er Widerstand?«
»Ganz wüthend. Er war vorzüglich bewaffnet und hat einige der Leute verwundet.«
»Und wo befindet er sich jetzt?«
»Im Gefängnisse, von wo er morgen nach dem vorläufigen Verhöre nach Mexiko transportirt werden soll.«
»Gut, Ihr könnt abtreten!« Dann wandte er sich zu der Gräfin und Forster. »Ich muß den Menschen sehen und reite nach aufgehobener Tafel nach Morelia. Wollt Ihr mit, Don Forster?«
»Auf jeden
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