Der Gitano. Abenteuererzählungen
Fall.«
»Man wird unsere Ankunft willkommen heißen. Er ist nicht persönlich bekannt, und Ihr könnt also seine Person feststellen. Uebrigens sind wir ja bei der Untersuchung gegen ihn sehr betheiligt, so daß es die Arbeit des Beamten erleichtert, wenn wir zugegen sind.«
»Soll ich von dem Ritte ausgeschlossen werden?« frug die Gräfin.
»Ich denke, Du wirst lieber hier bleiben, als Dich der Berührung eines solchen Menschen aussetzen!«
Sie verzichtete nur ungern, sah aber ein, daß er Recht habe, und ergab sich in seinen Willen. Nach einer Viertelstunde saßen der Graf und Forster zu Pferde. Es war keine weite Entfernung zurückzulegen, und in kurzer Zeit hatten sie Morelia erreicht.
Der Ort war voller Aufregung über das Geschehene, und vor dem Gerichtsgebäude, welches zugleich als Gefängniß diente, hatte sich eine Menge Volkes versammelt, durch welches die beiden Männer sich kaum zu drängen vermochten. Der Beamte hatte bereits ein Verhör angestellt und empfing den Besuch mit der größten Zuvorkommenheit.
»Soeben war ich im Begriff, Euch aufzusuchen, Excellenza, um die nöthigen Erkundigungen einzuziehen, ein Vorhaben, dessen mich Eure Anwesenheit überhebt.«
»Spracht Ihr bereits mit dem Gefangenen?«
»Ja. Ich erkannte in ihm einen außerordentlich schlauen und dabei gewaltthätigen Menschen, dem Alles zuzutrauen ist. Er hat nicht das Geringste gestanden, und ich glaube sehr, daß nur der geladene Revolver, der hier neben mir lag, ihn abhielt, eine Extravaganz zu begehen. Darf ich um einen möglichst genauen Bericht des Geschehenen ersuchen?«
»Zunächst stelle ich Euch hier meinen Retter, Don Forster, Frankfort in Kentucky vor, der im Stande ist, Euch über den Inkulpaten genauere Auskunft zu geben als ich.«
Die beiden Herren ließen sich nieder; der Beamte hörte ihrer Erzählung aufmerksam zu und nahm das Nothwendige zu Notiz.
»Habt Ihr den Brief bei Euch, Don Forster?«
»Ja. Hier ist er!«
Der Beamte las ihn.
»Wollt Ihr mir das Schreiben überlassen?«
»Ich bitte, es mit dem möglichsten Nutzen zu verwenden.«
»Wilson hat es von Stenton aus beantwortet; ich fand seinen Brief unter den Privatpapieren des Alkalden, fand aber für gut, ihm beim ersten Zusammentreffen nichts davon zu sagen. Jetzt freilich steht es anders; ich werde ihn sofort wieder vorführen lassen, um ihn Euch gegenüberzustellen, und bitte, sich einstweilen in dies Kabinet zu verfügen!«
Er geleitete sie in einen anstoßenden Raum, dessen Thür angelehnt blieb, und gab dann den Befehl, Wilson zu holen. Dieser wurde gebracht. Er war gefesselt, stand aber aufrecht und mit einer Miene da, in welcher sich die höchste Entrüstung abspiegeln sollte.
»Was solls schon wieder? Ich denke, wir sind fertig und ich werde entlassen!«
»Entlassen sollt Ihr werden, aber vielleicht nicht in der von Euch vorausgesetzten Weise. Zuvor aber muß ich noch einige Fragen an Euch richten, die Euer Vorleben betrifft. Wollt Ihr mir noch einmal Euern Namen sagen?«
»Tommasio Molez; Ihr scheint an Gedächtnißschwäche zu leiden!«
»Möglich, doch Ihr vielleicht nicht weniger, da Ihr vollständig vergessen zu haben scheint, wo Eure früheren Aufenthaltsorte waren. Ihr seid geboren in St. Juan Bautista und befandet Euch seit zwölf Jahren in Brasilien?«
»So ists. Ich setzte während dieser Zeit keinen Fuß aus dem Kaiserreiche, bin dort Bürger und werde mich an das brasilianische Konsulat wenden, wenn Ihr mich länger meiner Freiheit beraubt. Dann mögt Ihr sehen, wie Ihr mit den Folgen fertig werdet!«
»Wollt Ihr Euch nicht an den Konsul der Vereinigten Staaten wenden?«
»Warum?«
»Weil Tom Wilson bei ihm mehr Erfolg haben dürfte, als Tommasio Molez bei der von Euch genannten Vertretung.«
»Tom Wilson? Wer ist das?«
Er war beim Nennen dieses Namens zusammengefahren, hatte sich aber schnell wieder gefaßt.
»Ein Pfahlmann, Raubmörder, Fälscher, Einbrecher, kurz eine sehr angenehme Persönlichkeit. Ihr habt wohl noch nie von ihm gehört?«
»Was habe ich mit einem solchen Subjekte zu thun?«
»Vielleicht noch mehr als Euer Bruder, welcher mit ihm in einem höchst interessanten Briefwechsel stand.« Er ergriff das Schreiben des Alkalden, und ließ ihn einen Blick auf dasselbe werfen.
»Kennt Ihr diesen Brief?«
»Nein.«
»Das ist eigenthümlich! Er wurde doch in Eurer Wohnung gefunden.«
Jetzt erbleichte Wilson.
»Meine Wohnung wollte ich bei meinem Bruder nehmen, ich hatte sonst keine und bin erst
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