Der Gitano. Abenteuererzählungen
meine Spur gekommen sind! Sicher sind nur sie es gewesen, welche Sarah ausfindig gemacht haben und sie zu dem Entschlusse brachten, mich zu verrathen. O, könnte ich mich an ihnen rächen, ich würde viel, ich würde Alles dafür geben. Viel? Alles? Habe ich denn überhaupt noch Etwas? Meinen so gloriös erworbenen Reichthum haben sie mir genommen; ich besitze nichts als das Leben, und auch dieses nicht mehr, denn – in wenig Tagen wird man auch dieses von mir fordern.«
Er sprang auf.
»Aber nein, so weit ist es noch nicht. Noch ist es möglich, wieder freizukommen; hier allerdings nicht und in Mexiko vielleicht ebenso wenig, aber unterwegs kann sich eine Gelegenheit bieten, zu entkommen, und ich werde sie benützen, denn ich riskire dabei ja nur das bereits verfallene Leben. Und gelingt es, so will ich Rache nehmen, fürchterliche Rache! In Mexiko freilich darf ich mich nicht attrapiren lassen, sonst bin ich verloren. Aber sie müssen mit dem Gelde und dem Mädchen über New-Orleans; ich gehe dahin, erwarte sie, und es müßte mit dem Teufel zugehen, wenn ich nicht wiederbekäme, was sie mir genommen haben.«
Seine Geduld sollte nicht länger mehr auf die Probe gestellt werden. Die Thüre des Gefängnisses öffnete sich; er wurde in den Hof geführt und auf ein Pferd gebunden. Ein Unteroffizier mit einigen Mann Kavalleristen übernahmen seine Bedeckung. Der Erstere schnallte die Auslieferungspapiere in die Satteltasche, dann ging es fort nach Mexiko, den Gefangenen in der Mitte.
Wilson hatte nicht die mindeste Gewalt über sein Pferd, welches von einem der Reiter am Zügel geführt wurde; auch erlaubten ihm seine Fesseln nicht die kleinste Bewegung, und so sehr er auch all seinen Scharfsinn anstrengte, so fleißig er sein Auge suchend umherschweifen ließ, es wollte sich keine Möglichkeit der Rettung erkennen lassen.
Die Kavalleristen zeigten sich außerordentlich schweigsam, und nur als man den Wald erreicht hatte und an die Stelle gelangte, wo der Graf überfallen worden war, meinte der Anführer:
»Wirst’s wohl nicht wieder thun, Bursche. Die heilige Gerechtigkeit läßt nicht mit sich spassen!«
»
Quien save,
wer weiß es!« erklang die trotzige Antwort.
Als sei sie eine Losung gewesen, krachten in demselben Augenblicke von beiden Seiten mehrere Schüsse; der Unteroffizier mit zweien der Reiter stürzten vom Pferde; die Uebrigen wollten sich gegen die zwischen den Bäumen herbeispringenden Angreifer vertheidigen, erkannten aber, daß auf deren Seite die Uebermacht sei, und jagten mit Zurücklassung des Gefangenen davon.
»Unerwartete Hülfe in der Noth, nicht wahr, Sennor?« frug Einer der auch heut geschwärzten Männer, indem er das Messer zog und die Fesseln durchschnitt.
»Bei allen Teufeln, ja. An Euch hätte ich nicht gedacht und glaubte mich auf mich selbst angewiesen.«
»Hm, wir mußten wohl! Ihr hattet einige von unsern Namen gehört, und da mußten wir Euch um die Gelegenheit bringen, sie den Herren vom Gerichte auszuplaudern.«
»Da zeigt Ihr Euch heut klüger als gestern, wo Ihr es vergaßet, meinen verwundeten Bruder in Sicherheit zu bringen.«
»Verwundet,
Per dios,
er war todt, Sennor!«
»Euer eigenes Wohl hätte dennoch erfordert, seine Leiche zu beseitigen; aber er war nicht todt, sondern ist zum Grafen Hernano geschafft worden, wo er Alles gestanden hat. Ob er dann an seiner Verwundung gestorben ist, ob er noch lebt und sich in Gefangenschaft befindet, weiß ich nicht. Ich könnte mich seiner auch nicht annehmen, denn ich muß schleunigst fort. Habt Dank für die Schüsse; sie kamen zur rechten Zeit!«
»Wo wollt Ihr hin?«
»Fort aus dem Lande,« erwiderte er mit vorsichtiger Zurückhaltung.
»Jedenfalls zunächst nach Vera Cruz! Geht nicht direkt, Sennor, sondern über Jalapa, das ist sicherer. Und wenn Ihr hinkommt, so sucht meinen Vetter Saldano auf, er hat eine Wirthschaft am Hafen, kennt unser Handwerk und wird Euch alle Hülfe leisten.«
»Ich werde ihn aufsuchen.«
Er war zu dem Pferde des Unteroffiziers getreten und öffnete die Satteltasche. Sie enthielt neben dem Aktenhefte seine Börse und alle Gegenstände, die man ihm abgenommen hatte.
»So, jetzt komme ich wieder zu dem Meinigen. Als Reisegeld wird es ausreichen, und diese hübschen Bogen müssen wir verschwinden lassen.«
Einer der Bravero’s reichte ihm ein Zündhölzchen. Die Akten gingen in Flammen auf; dann bestieg er das Pferd des Unteroffiziers.
»Lebt wohl, Sennores, und macht auch fernerhin
Weitere Kostenlose Bücher