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Der Gitano. Abenteuererzählungen

Der Gitano. Abenteuererzählungen

Titel: Der Gitano. Abenteuererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gestern angekommen.«

    »Ihr miethetet also in Mexiko wirklich keine Zimmer für Euch und eine Person, welche als Knabe anlangte, jetzt aber Damenkleider trägt?«
    »Nein.«
    »So habt Ihr also auch keinerlei Anspruch auf das, was dort vorgefunden wurde.«
    »Was?«
    »Dieser Brief, eine Sammlung Schriftübungen, welche viel zu denken giebt, mehrere Beutel voll Goldstaub und Nuggets und endlich eine Brieftasche mit Werthpapieren, welche plötzlich und unter eigenthümlichen Umständen aus Stenton, Arkansas, verschwunden sind. Wollt Ihr sie wieder haben?«
    »Sie gehen mich nichts an!«
    Man hörte es den mühsam hervorgestoßenen Worten an, welche Ueberwindung sie ihn kosteten.
    »Auch das Mädchen nicht?«
    »Nein.«
    »Aber dann vielleicht dieser Brief, der in Stenton aufgegeben wurde?«
    Er hielt ihm sein eigenes, an den Bruder gerichtetes Schreiben vor.
    »Auch nicht. Ich kann überhaupt nicht begreifen, was Ihr von mir wollt. Ich komme gestern zu meinem Bruder, gehe heut mit ihm spazieren und werde bei meiner Rückkehr trotz seines amtlichen Charakters arretirt!«
    »Das hat wohl seine Gründe. Der Spaziergang war ein außerordentlich bewaffneter; der Alkalde kehrte nicht zurück – –«
    »Was geht das mich an? Er wird wohl noch kommen. Wir trennten uns, weil er einen Amtsbesuch zu machen hatte.«
    »Zum Grafen Don Hernano, dem er erzählte, welches reizende Abenteuer er mit Euch erlebt habe. Er befindet sich noch dort, und ich werde ihn heut noch aufsuchen.«
    Er konnte die Wirkung dieser Worte trotz aller Selbstbeherrschung nicht verbergen. Dennoch antwortete er trotzig:
    »Ich habe nicht das Geringste dagegen!«
    »Auch nicht gegen die Gesellschaft, in welcher ich diesen Besuch vornehmen werde?«
    »Sie ist mir höchst gleichgültig.«
    »Das dürfte erst zu beweisen sein. Da, blickt Euch einmal um!«
    Wilson machte eine Wendung nach dem Kabinet, unter dessen Thür der Graf und Forster erschienen. Der Anblick des Letzteren warf ihn um einige Schritte zurück; dann machte er eine Bewegung, wie um sich auf ihn zu stürzen, besann sich aber noch und meinte so kaltblütig wie möglich:
    »Wer sind die Sennores?«
    »Verstellt Euch nicht, Master Wilson,« meinte Forster; »Ihr habt ausgespielt! Oder wollt ihr wirklich behaupten, daß Ihr mich nicht kennt?«
    »Behauptet Ihr etwa mich zu kennen?«
    »Leider habe ich das Unglück, dies thun zu müssen.« Und zum Richter gewandt, fuhr er fort: »Ich rekognoszire diesen Mann als denjenigen, über welchen ich meine Aussage vorhin zu Protokoll gab, Sennor!«
    »Und ich,« sprach Wilson mit scheinbarer Kälte, »rekognoszire diesen Menschen als den raffinirtesten Lügner, der mir vorgekommen ist.«
    »Schon gut,« fiel der Beamte ein; »ich bin nun sehr im Klaren über Eure Persönlichkeit. Hätte ich noch den leisesten Zweifel, was aber nach den Worten Sennor Forsters nicht möglich ist, so würde ich Euch einem Sennor Summerland und einer gewissen Sarah gegenüberstellen, welche Beide bereit sind, über Euch die gewünschte Auskunft zu geben. Ich habe mit Euch nichts mehr zu schaffen und werde Euch morgen unter sicherer Bedeckung nach Mexiko liefern, wo Euch das Weitere erwartet. Ihr könnt abtreten!«
    Auch die beiden Andern entfernten sich nach längerem Gespräche mit dem Beamten, welcher versprach, am andern Morgen die Besichtigung der Leichen vorzunehmen und ihre Bestattung sodann anzuordnen. Sie kehrten auf das Landgut des Grafen zurück, wo sie den Abend im traulichen Beisammensein verbrachten.

    Am nächsten Vormittage traf der Beamte ein und besichtigte die Leichen, welche zur Feststellung ihrer Persönlichkeit nach Morelia geschafft wurden. Sodann ritt man in den Wald, um den Thatort zu besichtigen, und gleich von hier aus kehrte er heim, um die Auslieferung des Gefangenen zu bewerkstelligen.
    Forster wollte nun den Rückweg nach Mexiko antreten, da aber der Graf und die Gräfin dies erst am andern Tage zu thun beabsichtigten, so ließ er sich erbitten, noch bis dahin zu warten.
    Unterdessen saß Wilson zwischen den vier kahlen Wänden seiner engen Zelle, wo man ihm die Handschellen abgenommen hatte, da das Gefängniß für die Sicherheit des Gefangenen vollständig bürgte und eine Flucht ganz unmöglich war. Er hatte die Ellbogen auf die Kniee gestemmt und den Kopf in die Hände gelegt und brütete in finstern Gedanken vor sich hin.
    »Forster und Summerland – wer hätte daran gedacht, daß mir diese zwei Hallunken folgen würden? Wie sie nur auf

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