Der Gitano. Abenteuererzählungen
rührigsten Verlaufe. Ich habe gleich nach unserer Ankunft einen zuverlässigen Boten nach Morelia geschickt und werde jetzt, da ich den Zusammenhang besser kenne, einen zweiten abreiten lassen, der Alles ebenso besorgen wird, als ob wir selbst an Ort und Stelle seien. Zugleich sind eine Anzahl Arbeiter in den Wald gegangen, um sich der Gefallenen zu versichern. Ich habe sehr begründete Ursache, zu glauben, daß wir es mit denselben Männern zu thun haben, welche die Gegend von Queretaro heimsuchten.«
Er erhob und entfernte sich. Summerland konnte es in dem fein ausgestatteten Raume unmöglich länger aushalten; er trat auf die Veranda. Nun sah sich die Gräfin mit dem schönen, muthigen Fremden, dem sie gestern eine solche Aufmerksamkeit erwiesen hatte, allein. Ihre Anschauung war keine andere, als die aller mexikanischen Schönen, obgleich die gute Bildung, welche sie genossen haben mußte, Manches milderte, was bei einer Andern unbeaufsichtigt hervortreten durfte.
»Kennt Ihr Eure Zauberin schon lange, Sennor?«
»Erst seit Kurzem.«
»So muß ihre Macht wirklich groß sein. Größer als diejenige der mexikanischen Feen?«
»Größer nicht, Donna, wie ich überzeugt bin seit gestern; es gilt wohl auch im Zauberreiche das Recht des Erstbesitzes.«
»In diesem Falle ein böses Recht, welches uns die Erlaubniß nimmt, Euch jede Stunde Eures Hierweilens zu einer unvergeßlichen zu machen!«
»Es wird keine einzige meinem Gedächtnisse entschwinden. Die Schönheit ist ewig, und das Andenken an sie kann kein Ende haben. Sie lebt in demselben fort, selbst wenn sie dem Auge längst entschwunden ist.«
»Das fühle ich am Lebhaftesten in diesem Augenblicke, Don Riccardo; ich werde den Mann nie vergessen, der mich so tief verschuldete.«
Ihr Auge brannte in das seinige herüber. Der Wiedereintritt des Grafen kam dem Bedrängten zu Hülfe.
»Die Staffette ist fort, und nun könnt Ihr Euch darauf verlassen, daß die Polizei der ganzen Umgegend in Alarm gesetzt und ihre Schuldigkeit thun wird. Ihr dürft also getrost hier verbleiben.«
»Ich für meine Person, Don Hernano, darf vielleicht zusagen, mein Begleiter aber muß unbedingt nach Mexiko zurück.«
»Giebt es hierfür einen Grund?«
»Einen sehr triftigen. Die Wohnung, welche Wilson miethete, muß bewacht werden, und zwar von Jemand, der ihn persönlich genau kennt. Er kehrt auf alle Fälle dorthin zurück, wenn wir nicht schon hier seiner habhaft werden.«
»So muß ich allerdings meine Zustimmung geben. Sennor Summerland soll von mir einige Zeilen an die Polizei erhalten, welche ihm dann mit allen Kräften zu Gebote stehen wird. Jetzt aber laßt Euch Euer Zimmer anweisen, Don Forster, damit Ihr Euch ausruhen könnt!«
Forster lächelte über den Gedanken, daß er nach dem kurzen Ritte der Erholung nöthig habe; die Gräfin erhob sich.
»Folgt mir, Sennor, und erlaubt, daß ich selbst Euch geleite!«
»Gestattet zuvor einen kurzen Augenblick!«
Er trat unter die Thür zur Veranda.
»Tim, Du mußt sofort nach Mexiko zurück!«
»
Well,
Sir, das ist mir außerordentlich angenehm; ich bin verteufelt wenig auf gräfliche Weise einstudirt!«
»Unser Führer mag Dich begleiten. Du erhältst von Don Hernano ein Schreiben an die Polizei, welches Du übergiebst, und bewachst das Haus, wo Wilson sein Zimmer hat. Ich kenne den Namen der Straße nicht, doch kannst Du bei Sarah Alles erfahren. Ich kann nicht sagen, wenn ich Dir folgen werde; wenn Du ihn siehst, so laß ihn nicht wieder aus den Augen!«
»
All reight,
Master Forster; tragt keine Sorge um mich. Ich werde aufpassen wie die Kundschafter im Lande Kanaan, als sie die große Traube fanden und hinüber nach Mesopotamien schleppten!«
Forster wandte sich zurück und stellte sich nun der Gräfin zur Verfügung. Diese führte ihn in ein Zimmer, welches wahrhaft fürstlich ausgestattet war und an ein höchst bequem eingerichtetes Schlafkabinet stieß.
»Darf ich hoffen, daß es Euch genügen wird?«
»Vollkommen, Sennorita. Ich habe ja überhaupt gar nicht die Absicht, Euch Störung und ungewöhnliche Mühewaltung zu bereiten!«
Sie entfernte sich. Er trat an das Fenster und blickte hinaus in den herrlichen Garten, wo eine reiche, südliche Vegetation in den buntesten Farben prangte.
Es ging ihm beinahe wie Tim Summerland; er fühlte sich unbehaglich an diesem Orte, in der Nähe dieses Weibes, und doch vermochte er nicht, ihr zu zürnen oder eine Schuld auf sie zu werfen, welche die Gluth der
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