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Der Gitano. Abenteuererzählungen

Der Gitano. Abenteuererzählungen

Titel: Der Gitano. Abenteuererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Nur abwärts konnten wir Rettung finden; aber ich hatte am Tage Nichts einer Straße Aehnliches bemerkt und im Gegentheile gesehen, daß die Felswände so eng zusammentraten, daß sich der Fluß nur schäumend den Ausweg erzwingen konnte.
    »Sagt, Miß,« rief ich in ängstlicher Hast, »giebt es einen Weg, welcher hier unten aus dem Thale führt?«
    »Nein, nein!« stöhnte sie unter der krampfhaften Anstrengung, von mir loszukommen. »Laßt mich fahren, sage ich Euch, laßt mich fahren!«
    Ich konnte natürlich auf ihre Worte nicht hören und musterte mit Aufmerksamkeit den nahe zusammentretenden Horizont, welchen die beiden schroff aufstrebenden Höhenzüge bildeten. Da fühlte ich einen Druck in der Gürtelgegend, und zugleich rief das Mädchen:
    »Laßt mich los! Gebt mich frei, oder ich stoße Euch Euer eigenes Messer in den Leib!«
    Sie hatte das Bowiemesser an sich gerissen. Aber ich hatte keine Zeit zu einer langen Auseinandersetzung, sondern vereinte mit einem raschen Griffe ihre beiden Handgelenke in meiner Rechten, während ich mit dem linken Arme sie immer fester umschloß.
    Die Gefahr wuchs mit jeder Secunde. Der glühende Strom hatte die Lagerräume erreicht und nun sprangen die Fässer mit Kanonenschuß ähnlichem Knalle und ergossen ihren sofort in heller Lohe brennenden Inhalt in das auf diese Weise immer mehr anwachsende und immer rascher vorwärtsschreitende Feuermeer. Die Atmosphäre war zum Ersticken heiß; ich hatte das Gefühl, als koche ich in einem Topfe siedenden Wassers, und doch wuchsen Hitze und Trockenheit mit solcher Rapidität, daß ich innerlich zu brennen vermeinte. Faßt wollten mir die Sinne schwinden; aber es galt nicht blos mein Leben, sondern noch viel mehr dasjenige meiner kostbaren Bürde.
    Es war mir in diesen entsetzlichen Augenblicken zu Muthe, als habe ich das herrlichste Gut der ganzen, weiten Schöpfung, den größten Schatz des Himmels und der Erde dem flammenden Orkus entführt und müsse nun meinen herrlichen Raub schützen und bergen vor den nachsprühenden Blitzen und Gluthen der Unterwelt. Trotzdem ich kaum noch eines Gedankens mächtig war durchzuckte mich doch die Erkenntniß der ersten, allgewaltigen Liebe, und Rettung, Rettung mußte ich finden für sie und sollte ich selbst zehnmal, nein, tausendmal dabei zu Grunde gehen!
    »Swallow, voran, voran, Swall –!«
    Ich konnte nicht weiter sprechen, und das brave Thier ras’te ja auch mit fast unmöglicher Geschwindigkeit dahin. Soviel sah ich; diesseits des Flusses war kein Ausweg. Die Flammen beleuchteten die Felswände ja hell genug, um sehen zu können, daß dieselben nicht zu erklimmen seien; deshalb in’s Wasser, in’s Wasser – hinüber auf die andere Seite!
    Ein leiser Schenkeldruck – ein Sprung des gehorsamen Mustangs, und hochauf schlugen die Wellen über uns zusammen. Ich fühlte neue Kraft, neues Leben durch die Adern pulsiren, aber das Pferd war unter mir verschwunden. Doch das war jetzt gleich; nur hinüber – immer hinüber! Ich schwamm wie noch nie, nie in meinem ganzen Leben – mit einer Angst, so furchtbar – so furchtbar, nicht für mich, sondern für sie – sie – sie – – –. Da schnaufte es hinter mir – – »Swallow, Du treuer, wackerer, bist Du’s? – Hier ist das Ufer – – wieder auf’s Pferd – fort – fort!«
    So ging es weiter. Fast wahnsinnig vor Aufregung und Ueberanstrengung ritt, sprang, lief und kletterte ich, ohne mehr zu wissen, was ich that; aber endlich – endlich war’s erreicht, und ich sank mit meiner Bürde nieder.
    Nach einigen Augenblicken der dringendsten Erholung trug ich sie mehrere hundert Schritte weiter in die sichere Nacht hinein. Der Himmel glänzte blutig roth, und der Brodem des entfesselten Elementes cumulirte in dichten, schwarzen, von purpurnen Lichtern durchbrochenen Ballen über dem Heerde der Verwüstung. Aber ich hatte keine Zeit zu diesen Betrachtungen; denn vor mir lag, das Messer noch krampfhaft festhaltend, das Mädchen, so bleich, so kalt und starr, daß ich sie todt glaubte, ertrunken im Wasser, während ich sie den Flammen entreißen wollte.
    Das leichte Gewand war durchnäßt und legte sich eng an die wunderbar schöne Gestalt; auf dem bewegungslosen Angesichte spielten die düstern Reflexe der über den Rand der Ebene emporsprühenden Feuerstrahlen; der Mund, welcher am Tage so herzlich gelacht, war geschlossen; das Auge, dessen großer, voller Blick mir so tief in die Seele gedrungen, lag verborgen unter den gesunkenen

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