Der Gitano. Abenteuererzählungen
war.
Draußen angekommen, schritten wir nach einigen kurzen Weisungen an der Wache vorüber, dem Orte zu, an welchem sich Sam Hawkens versteckt gehabt hatte. Die von dort nach der Schlucht führende Richtung war jedenfalls die für uns vortheilhafteste; denn wir hatten von beiden Seiten Deckung und waren sicher, denjenigen von den Indianern zu begegnen, welche annehmbarer Weise ihren Versteck verlassen hatten, um nach dem Verbleiben der uns Begegneten zu sehen.
Winnetou hatte kurz nach unserm frühzeitigen Aufbruche am Morgen das Lager auch verlassen und war noch nicht zurückgekehrt. Er wäre uns auf dem jetzigen Gange der willkommenste Begleiter gewesen, und ich konnte, da ich ihn wirklich liebgewonnen hatte, mich einer leisen Sorge um ihn nicht erwehren. Es war ja ein Zusammentreffen mit dem Feinde so leicht möglich, und in diesem Falle war er trotz seiner Tapferkeit verloren.
Eben dachte ich an diesen Umstand, als sich plötzlich neben uns die Büsche theilten und der Apache vor uns stand. Unsre Hände, welche beim ersten raschelnden Laute der Zweige nach den Waffen gegriffen hatten, fuhren von denselben zurück, als wir ihn erkannten.
»Winnetou wird gehen mit den weißen Männern, um zu sehen Parranoh und die Ogellalla’s.«
Erstaunt blickten wir ihn an. Er wußte also schon von der Anwesenheit der Indianer.
»Hat mein rother Bruder die Krieger des grausamsten Stammes der Sioux gesehen?«
»Winnetou muß wachen über seinen jungen Bruder und über die Tochter Ribanna’s. Er ist hinter ihnen gegangen und hat gesehen ihre Messer fahren in das Herz der rothen Krieger. Parranoh hat sich genommen den Schädel eines Mannes vom Volke der Osagen; sein Haar ist eine Lüge und seine Gedanken sind voller Falschheit. Winnetou wird ihn tödten.«
»Nein, der Häuptling der Apachen wird ihn nicht berühren, sondern ihn mir lassen!« entgegnete Old Firehand.
»Winnetou hat ihn schon einmal geschenkt seinem weißen Freunde!«
»Er wird mir nicht wieder entgehen; denn meine Hand –«
Nur das letzte Wort hörte ich noch; denn in dem Augenblicke, in welchem es gesprochen wurde, sah ich zwei glühende Augen hinter dem Strauche, welcher die Biegung der Fußspuren verbarg, hervorleuchten und hatte mit einem raschen Sprunge den Mann gepackt, dem sie angehörten.
Es war Der, von welchem gesprochen wurde, Parranoh, und kaum stand ich vor ihm und warf ihm die Finger um die Kehle, so raschelte es zu beiden Seiten, und eine Anzahl Indianer sprangen hervor, ihrem Häuptlinge zur Hülfe.
Die Freunde hatten meine Bewegung gesehen und stürzten sich sofort auf meine Angreifer. Wie es kam, ich weiß es nicht; aber ich hatte den weißen Häuptling, welcher mir an Stärke und Geschicklichkeit doch weit überlegen war, unter mir. Meine Kniee auf seiner Brust, die Finger der Linken um den Hals und die Rechte um seine Hand, welche das Messer gepackt hatte, fühlend, krümmte er sich unter mir wie ein Wurm und machte die wüthendsten Anstrengungen, mich von sich zu stoßen. Ich hatte keine Zeit, auch nur einen einzigen Blick auf das um mich herumwogende Getümmel zu werfen; denn bei dem geringsten Versehen meinerseits war ich verloren, und nie im ganzen Leben habe ich es mehr gefühlt, daß sich die Kräfte des Menschen im Augenblicke solcher Gefahr verdoppeln, ja verzehnfachen können.
Mit den Füßen wie ein angeketteter Stier um sich schlagend, versuchte er, in riesenkräftigen Rucken sich emporzuschnellen; der falsche, langbehaarte Schädel lag neben ihm; die Augen traten weit und mit Blut unterlaufen aus ihren Höhlen; vor dem Munde stand ihm der gährende Schaum der Wuth und die nackte, von dem Scalpmesser Winnetou’s barbirte Kopfblöße schwoll unter der Anstrengung aller Fasern und Nerven und dem wilden Schlage des zusammengedrückten Pulses mit einer erschreckenden Häßlichkeit auf. Mir war, als hätte ich ein rasendes Thier unter mir, und mit mir jetzt unbegreiflicher Gewalt krampfte ich meine Finger um seine Kehle, so daß er einige Male convulsivisch zusammenzuckte, den Kopf hintenüber legte und, die Augen verdrehend, unter einem immer leiser werdenden Zittern die Glieder von sich streckte; – er war besiegt.
Jetzt endlich blickte ich, mich erhebend, um mich, und es bot sich mir eine Scene, wie sie die Feder nie zu beschreiben vermag. Keiner der Kämpfenden hatte, aus Sorge dem Feinde Hülfe herbei zu rufen, eine Schußwaffe gebraucht, sondern nur das Messer und der Tomahawk waren thätig gewesen. Keiner von ihnen
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