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Der Gitano. Abenteuererzählungen

Der Gitano. Abenteuererzählungen

Titel: Der Gitano. Abenteuererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sie fort:
    »Sagt was Ihr wollt, Sir, es giebt Gefühle im Menschenherzen, denen der thatkräftige Arm gehorsamen muß, gleichviel, ob er ein männlicher oder weiblicher ist. Hätten wir gestern den
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erreicht, so wäre Euch ein Grab zu Gesicht gekommen, welches zwei Wesen birgt, die mir die liebsten und theuersten gewesen sind auf der ganzen, weiten Erdenrunde. Sie wurden hingeschlachtet von Männern, welche dunkles Haar und braune Haut besaßen, und seit jenen schrecklichen Tagen zuckt mirs in der Hand, wenn ich eine Scalplocke wehen sehe und mancher Indianer ist blutend vom Pferde geglitten, wenn die Pistole blitzte, aus welcher das tödtende Blei in das Herz meiner Mutter fuhr und deren Sicherheit Ihr ja auch bei New-Venango kennen gelernt habt.«
    Sie zog die Waffe aus dem Gürtel und hielt sie mir vor die Augen.
    »Ihr seid ein guter Schütze, Sir; aber aus diesem alten Rohre würdet Ihr auf fünfzehn Schritte nicht den Stamm eines Hikory treffen. Ihr mögt also denken, wie oft und viel ich mich geübt habe, um meines Zieles gewiß zu sein. Ich weiß mit allen Instrumenten umzugehen; aber wenn es sich um Indianerblut handelt, dann greife ich nur zu dieser da; denn ich habe geschworen, daß jedes Körnchen Pulvers, welche jene mörderische Kugel trieb, mit dem Leben einer Rothhaut bezahlt werden müsse, und ich glaube, ich stehe nicht sehr weit von der Erfüllung dieses Schwures. Dasselbe Rohr, welches die Mutter niederstreckte, soll auch das Werkzeug meiner Rache sein!«
    »Ihr bekamt die Pistole von Winnetou?«
    »Hat er Euch davon erzählt?«
    »Ja.«
    »Alles?«
    »Nichts, als was ich eben sagte.«
    »Ja, sie ist von ihm. Doch, setzt Euch, Sir! Ich versprach Euch gestern eine Aufklärung, und, Ihr sollt das Nothwendigste erfahren, wenn die Sache auch nicht eine solche ist, über welche man viele Worte machen könnte.«
    Sie nahm neben mir Platz, warf einen beobachtenden Blick über das unter uns liegende Thal und begann:
    »Vater war Oberförster da drüben im alten Lande und lebte mit seinem Weibe und einem Sohne in ungetrübtem Glücke, bis die Zeit der politischen Gährung kam, welche so manchen braven Mann um seine Ziele betrogen hat und auch ihn in den Strudel trieb, welchem er sich schließlich nur durch die Flucht zu entziehen vermochte. Die Ueberfahrt kostete ihm die Mutter seines Kindes, und da er nach der Landung mittellos und ohne Bekannte in einer andern und neuen Welt stand, so griff er zum Ersten, was ihm geboten wurde, ging als Surveyor nach dem Westen und ließ den Knaben bei einer wohlhabenden Familie zurück, in welcher derselbe als Kind aufgenommen wurde.
    Einige Jahre verflossen ihm unter Gefahren und Abenteuern, welche aus ihm einen von den Weißen geachteten, von ihren Feinden aber gefürchteten Westmann machten. Da führte ihn eine Jagdwanderung hinauf an den Quicourt, mitten unter die Stämme der Assineboins hinein, und hier traf er zum ersten Male mit Winnetou zusammen, welcher von den Ufern des Colorado kam, um sich am obern Mississippi den heiligen Thon für die Calumets seines Stammes zu holen. Beide waren Gäste des Häuptlings Tah – scha – tunga und lernten in dem Wigwam desselben Ribanna, seine Tochter kennen.
    Sie war schön wie die Morgenröthe und lieblich wie die Rose des Gebirges. Keine unter den Töchtern des Stammes vermochte die Häute so zart zu gerben und das Jagdkleid so sauber zu nähen wie sie, und wenn sie ging, um Holz zu holen für das Feuer ihres Kessels, so schritt ihre schlanke Gestalt wie die einer Königin über die Ebene und von ihrem Haupte floß das Haar in langen Strömen fast bis zur Erde herab. Sie war der Liebling Manitou’s, des großen Geistes, war der Stolz des Stammes, und die jungen Krieger brannten vor Begierde, sich die Scalps der Feinde zu holen, um sie ihr zu Füßen legen zu dürfen.
    Aber Keiner von ihnen durfte die Hand an ihre Hüfte legen; denn sie liebte den weißen Jäger, welcher schöner war und tapferer als all die rothen Männer und zu ihr sprach mit sanfter, wohltönender Stimme, deren Klang tief in ihr Herze drang und ihren jungfräulichen Busen erschwellen ließ unter süßen, sehnsüchtigen Gefühlen.
    Auch in seiner Seele war aufgegangen das Feuer des Verlangens; er folgte der Spur ihres Fußes, wachte über ihrem Haupte und sprach mit ihr wie mit einer Tochter der Bleichgesichter. Da trat eines Abends Winnetou zu ihm.«
    »Der weiße Mann ist nicht wie die Kinder seines Volkes. Aus ihrem Munde fallen die Lügen

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