Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der gläserne Wald

Der gläserne Wald

Titel: Der gläserne Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinald Koch
Vom Netzwerk:
begrenzte Zeit; dann mussten sie erkennen, dass sie den Lebensraum anderer Menschen aufs ungeheuerlichste verletzt hatten, und nichts gilt dem Adaporianer als verwerflicher und anstößiger. Wer je in den engen, überbelegten Unterkünften der einfachen Adaporianer leben musste, weiß warum. Dort die Unverletzlichkeit des Lebensraums nicht zu respektieren, ist ein strafwürdiges Verbrechen.
    Am Spätnachmittag – Thomal hatte inzwischen gelernt, die Bewegung der Sonne und die Helligkeit einigermaßen richtig einzuschätzen – befanden sich Thomals Männer in einem erbarmungswürdigen Zustand. Keiner hob mehr den Blick, um nach irgendeiner Richtung zu sichern; mühsam schleppten sie sich Schritt für Schritt weiter. Selbst, wenn sie noch kräftig genug gewesen wären, hätten sie mit ihren entzündeten und verklebten Augen nicht viel sehen können. Die Schutzbrillen mochten zwar die Qualen der Helligkeit lindern, aber Wind und Staub hielten sie nicht ab.
    Zwei Männer klagten abwechselnd über Kälte, dann wieder über Hitze, so dass Thomal überzeugt war, dass sie verrückt geworden sein mussten.
    Gegen 5 h (18 h Planetenzeit) befahl er eine Rast auch auf die Gefahr hin, dass er die Männer anschließend nicht mehr zum Aufstehen bewegen könnte. Als sie sich erschöpft hatten zu Boden fallen lassen, hörten sie in der Ferne ein dumpfes Grollen und spürten gleichzeitig eine schwache Erschütterung des Bodens, so als sei etwas sehr Schweres abgestürzt, aber selbst Thomal machte sich keine Gedanken darüber und vergaß es.
    Schon seit geraumer Zeit waren sie auf einem sandig steinigen, von Bewuchs freien Streifen marschiert, der sich schier endlos durch die Ebene zog. Dies musste eine Art Straße sein, vermutete Thomal, denn es waren darin tiefe, parallele Furchen eingegraben, die auf eine gewisse Zweckgebundenheit hinwiesen, obgleich er sich keinen Reim daraus machen konnte.
    Nun saßen die Männer am Rand der Straße und verbargen die schmerzenden Augen in der Ellenbeuge. Jeder für sich ein Tröpfchen von Austrocknung bedrohter, kostbarer Feuchtigkeit in dieser unklimatisierten Wildnis.
    Kaum dass er sich niedergelassen hatte, übermannte Thomal wieder der brennende Durst, der ihn schon seit Verlassen des Raumschiffs plagte.
    »Zwei Minuten«, beschloss er, »dann gehen wir weiter.«
    Er schaute auf die Uhr am Handgelenk, dann schüttelte er den Kopf und blickte wieder hin, doch es blieb dabei: die ewig eilenden Funken, welche die Ziffern schrieben, waren erloschen. Die Ziffernscheibe glänzte stumpf metallisch.
    Mit schmerzenden Muskeln richtete Thomal sich auf und ging von einem zum anderen. Alle Uhren waren erloschen. Die Männer waren zu apathisch, um sich zu kümmern, was er an ihren Handgelenken suchte. Nur einige brummten unwillig, als er ihnen den Arm vom Gesicht wegzog.
    Thomal überlegte rasch, was er von Uhren wusste. Uhren funktionierten immer und zeigten die genaue Zeit, das war alles. Zögernd, als scheue er sich, der vollen Wahrheit ins Auge zu sehen, zog er den Strahler aus dem Halfter. Die Energiekontrolle war erloschen. Er versuchte zu schießen: – nichts!
    Thomal wunderte sich, dass ihn diese Entdeckung im Grunde so wenig berührte. Vielleicht, weil er sowieso nicht kämpfen wollte.
    »Kameraden«, sagte er, »wir brauchen Wasser! Wir müssen trinken!« Das waren Zauberworte. Sie hoben die Köpfe, sie suchten die verklebten Augen freizuwischen.
    »Ich weiß, dass ihr fertig seid, genau wie ich, aber wir brauchen Wasser. Wir müssen weitergehen und Wasser suchen, damit wir trinken können!«
    Wie elektrische Schläge fuhren die Worte »Wasser« und »trinken« durch ihre Körper. Sie standen ächzend auf und warteten schwankend, ob Thomal ihnen noch etwas zu sagen habe.
    »Ich will nichts anderes von euch, als dass ihr mir folgt, um Wasser zu suchen. Wir werden jetzt alles zurücklassen, was uns beim Gehen behindert. Werft die Waffen weg!«
    Die Männer waren kaum noch bei Verstand vor Erschöpfung und Durst, und sie hätten es gewiss nicht bemerkt, wenn sie ihre Waffen verloren oder vergessen hätten, dass sie aber aufgefordert wurden, die Waffen fortzuwerfen, erschreckte sie doch, und es machte ihnen Angst, wehrlos zu sein. Sie starrten Thomal zwischen geschwollenen Augenlidern hindurch an und rührten sich nicht.
    »Wir brauchen Wasser«, redete ihnen Thomal zu, »aber keine Waffen. Es ist kein Funke Energie mehr in den Magazinen.«
    Er hielt ihnen seinen Strahler vor die Augen und drückte

Weitere Kostenlose Bücher