Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der gläserne Wald

Der gläserne Wald

Titel: Der gläserne Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinald Koch
Vom Netzwerk:
geschlafen. Ich bin zwar müde und in solchen Dingen unerfahren, aber mit den Adaporianern stimmt etwas nicht. Alles, was sie tun, ist planlos, als wüsste keiner genau, was der andere vorhat.
    Nun frage ich schon zum dritten Mal in der alten Sprache: »Thomal, sag mir, wo sind deine Kameraden?« Ich rede ihm gut zu, wie einem Kind er jedoch weist immer wieder in die Richtung, aus der er gekommen ist und sagt:
    »Dert, drt! S’schlefn, s’schlefn.«
    Wenn ich ihn richtig verstehe, soll das bedeuten: Dort, dort! Sie schlafen. Da ist es wieder, dieses Auseinanderlaufen, das mich an den Adaporianern so verwirrt. Die einen legen sich schlafen, der andere geht Wasser holen und ergibt sich so nebenbei.
    »Wir sollten endlich nachsehen, Altar!«
    »gewiss, hoher Priester!« sagt tha Barga, aber es wird wohl nur die Erschöpfung sein, die ihn die Lippen spöttisch verziehen lässt. Er gehört zu den Menschen, die erst das Verzweifelte komisch finden und nur dann geistvoll werden, wenn sie am Ende ihrer Kräfte sind. Nun ja, besonders geistvoll ist es ja nicht, mich als »hohen Priester« anzureden. Geistvoll wirkt eher die elegante Verbeugung, sein Mienenspiel, und das wohl auch nur deshalb, weil darin irgendwie etwas anklingt, das an die perfekte Eleganz des Kaptin der fürstlichen Leibwache erinnert.
    »Rasch! Schick Leute aus, die rechts und links des Weges gehen! Sie sollen sichern. Wir wollen nachsehen, ob die fremden Soldaten wirklich schlafen.«
    Tha Barga will jedoch von meiner Eile nichts wissen.
    »Nicht mit diesen Bauern hier!« sagt er. »Erst lassen wir unsere Soldaten holen. Die Bauern sind gut zum Graben, aber vom Krieg gegen die Adaporianer verstehen sie nichts. Außerdem haben sie keine Waffen.«
    »Glaubst du, dieser Thomal will uns eine Falle stellen?«
    Er zuckt mit den Achseln.
    »Wenn ich es recht bedenke, ja! – Es gibt doch keine bessere Art als diese, uns, die wir des Landes kundig sind, in eine Falle zu locken, wie wir sie ihnen eigentlich stellen wollten. Ein schlauer Plan! So haben sie die Wahl des Schlachtfeldes; aber du hast mehr Männer, Tolt. Wir werden in einem weiten Halbkreis vorgehen. Verlass dich auf meine Bogenschützen, die haben schießen gelernt!«
    Natürlich hat Altar recht mit seiner Vorsicht. Es wäre unverzeihlicher Leichtsinn, sich auf die Worte Thomals zu verlassen. Sicher könnten sich die Adaporianer gar nicht vernünftiger verhalten, als wenn sie das täten, was ihnen Altar tha Barga unterstellt; doch ich glaube nicht daran. Mag sein, dass ich sie unterschätze, aber alles, was sie bisher taten, war unvernünftig. Nein, nein, ich weiß bestimmt, dass Altar sich irrt.
    Ich wende mich wieder an Thomal: »Sag mir, warum wolltest du nicht weiterkämpfen?« Er schaut mich aus seinem elenden, kranken Gesicht an, als müsse er meine Worte innerlich noch einmal Wiederhören, um sie zu verstehen.
    »Wir’ben kene Energi mr’ ind’n Waffn«, stößt er abgehackt hervor. Zeitloser Raum! Wie soll man da je kompliziertere Dinge besprechen, wenn alle Adaporianer so stammeln! Geduldig wiederhole ich meine Frage und er wiederholt seine Antwort.
    Ich glaube, er meint »Energie«, wenn er auch das Wort falsch betont. Es wundert mich, dass auch die Adaporianer eine Religion haben. Sonderbar, also auch ein Adaporianer lässt sich von religiösen Gedanken leiten.
    Energie. Die Mystiker lehren, alles Seiende in seiner Vielfalt sei ein jeweils besonderer Zustand der Energie, denn Energie sei das einzig Wirkliche. Dennoch vermute ich, dass Thomal einfach nur sagen wollte, das Kriegsglück habe die Waffen Adapors verlassen.
    Ich hätte Lust, während wir auf tha Bargas Soldaten warten, den Adaporianer über seine Religion zu befragen. Aber er ist sicherlich im Augenblick zu schwach für theologische Dispute. Und ich muss ehrlich sagen, mir ist seine Sprache zu verwaschen; eine grässliche Sprache, die alle schönen Laute verschluckt.
    Endlich sind die Soldaten da. Auf tha Bargas Befehl haben sie die Zinos in Huldenhus zurückgelassen. Einen Reiter kann man aus zu großer Entfernung sehen. Nun müssen sie auch noch ihre Harnische und Helme ablegen, so dass sie aussehen wie gerupfte Papazis. Nur Schwert und Bogen dürfen sie tragen. Die Männer murren ein bisschen, aber trotzdem ist es eine kluge Maßnahme. Verteidigungswaffen haben keinen Sinn gegen die Adaporianer. Diese Lektion haben wir beide in Zaina gut gelernt.
    »Soldaten«, sage ich, »dieser Adaporianer hier hat sich ergeben und

Weitere Kostenlose Bücher