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Der gläserne Wald

Der gläserne Wald

Titel: Der gläserne Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinald Koch
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sinnlos, länger zu warten.
    »Ich denke, Sie sollten in acht Stunden fertig sein!«
    Der Offizier erbleichte. »Das ist völlig unmöglich«, erklärte er. »Wir haben keine Erfahrung auf diesem Gebiet. Oder … könnten wir das Rechenzentrum für eine halbe Stunde ganz für uns haben?«
    Franzik nickte. Dann fügte er hinzu: »Die Sache ist dringlicher als alles andere. Ich muss lebend auf Ne Par landen, und zwar an einer bestimmten Stelle. Wie, ist mir egal!«
    Gegen 9.17.40. h registrierten die empfindlichen Geräte des Observatoriums der »Tremor« den ersten schwachen, durch die Atmosphäre flimmernden Lichtfunken, der genau von Position 3 auf Ne Par kam. Sofort wurde das matte Glimmen verstärkt und in elektrische Impulse umgewandelt. Die Schreibmaschine des Computers begann zu ticken:
    Hier Tarja II, hier Tarja II – haben euch verstanden. Keine Energie im ganzen Schiff. Alle Energiequellen ausgefallen. Können keinen Defekt finden. – Bitten um Hilfe! Hilfe dringend, wir sind von Truppen der Eingeborenen umringt! Angriff steht bevor, aber alle Waffen unbrauchbar. – Werden uns im Schiff verschanzen. - Dies ist die letzte von zehn Durchsagen – gez. Oberst Friin, Kapitän der Tarja II – Ende.
    Das hellgrüne Gefunkel erlosch. Betroffen sahen sich die Männer im Observatorium an. Jeder von ihnen wusste, dass der gleichzeitige Ausfall sämtlicher Energiequellen eines Beibootes unmöglich war. Wenigstens einen der kleinen Generatoren hätte man auf Handbetrieb umstellen können, so dass er genug Strom zum Funken lieferte. Ihnen grauste, wenn sie an die Lage ihrer Kameraden in der Tarja dachten, und sie beeilten sich die Meldung zum Flaggschiff zu funken.
    Das Lichtmorsetelegramm der »Tarja II« blieb das einzige Lebenszeichen der adaporianischen Truppen auf Ne Par; aber es war in jeder Hinsicht deutlich genug, um Admiral Franzik die Richtigkeit seiner Vermutung zu bestätigen.
     
    Thomal wusste genau, dass seine Gedanken Verrat waren, und dass die Verwirklichung seines Plans ihm selbst wahrscheinlich den Tod brachte, gleichgültig, ob er Erfolg hatte oder nicht.
    Immer wieder tönten die Worte des Marschbefehls in seinen Ohren: »In östlicher Richtung aufklären, den Feind aufspüren, angreifen und vernichten!« Als ob der Feind dasitzen und warten würde, bis sie kamen!
    Als einfacher Polizeisoldat hatte Thomal natürlich nie Unterricht in Kriegskunst erhalten; jedoch schon im Grunddrill war ihm gesagt worden, dass man niemals in eng geschlossener Formation gegen starkes feindliches Feuer anrennen darf. Deshalb verstand er die Taktik der Ne Paresen: Sie hatten sich weit übers Land verstreut, hatten ihre Truppen auseinander gezogen und wichen, wo möglich, der überlegenen adaporianischen Feuerkraft aus.
    Thomal konnte sich gut vorstellen, dass nun überall im Land größere oder kleinere Einheiten der Feinde im Hinterhalt lagen und angreifen würden, bevor er und seine Männer auch nur die Waffen heben konnten. Darum hatte er den Plan gefasst, sich bei der nächsten Gelegenheit zu ergeben.
    Seine Kameraden in diesen Plan einzuweihen, hielt er für überflüssig. Sie stolperten willenlos hinter ihm her wie zum Tode Verurteilte, die zur Exekution geführt werden. Dieser Vergleich erschien Thomal durchaus passend. Ein scharfer Befehl im entscheidenden Augenblick, und sie würden ihre Waffen fallen lassen und die Hände heben.
    Thomal verschwendete keinen einzigen Gedanken darauf, ob das letzte Motiv seiner Absicht Feigheit war oder nicht. Die vielfach gebrochene Unsicherheit eines psychologisch geschulten Bewusstseins war ihm fremd.
    Nach reiflicher Überlegung glaubte er, drei Möglichkeiten zu erkennen: Sie konnten Ne Paresen finden und töten, wurden aber letztlich doch von ihnen überwunden. Sie konnten von Ne Paresen überrumpelt werden, bevor sie Gelegenheit zur Gegenwehr hatten. Drittens konnten sie sich ergeben, dann wurden sie entweder getötet oder durften am Leben bleiben.
    So hatte sich Thomal ohne alle Gewissensskrupel für die dritte Möglichkeit entschieden, denn dies war nicht sein Krieg. Wenn auch die Offiziere dilettantisch sich einige Mühe gegeben hatten, den Soldaten die Notwendigkeit und den Zweck des Krieges zu erklären, so war doch bloß eine recht oberflächliche Überzeugung das Resultat ihrer Bemühungen. Freilich genügte diese, solange die Adaporianer nur aus der Ferne gegen kaum menschenähnliche Primitive zu kämpfen glaubten. Der Irrtum schützte die Soldaten jedoch nur

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