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Der Glanz der Welt

Der Glanz der Welt

Titel: Der Glanz der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Amon
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geschmiert. VonSchmieren verstand er schließlich was, Schnittling der Sechzehnte. Nur die alten Kunden blieben weg. Hin und wieder besuchte der Kommerzialrat noch die Stätte seiner kulinarischen Siege, schlich traurig durch die Regalreihen und nahm die Beschwerden der Altklientel entgegen. Aber seine Besuche wurden weniger, die Beschwerden mehr, und dann war Goutzimsky ganz weg, die Beschwerden ebenfalls, und die meisten früheren Kunden auch. Man tat sich den Schnittling nicht mehr an. Es genügte, sein Bild in der Zeitung zu sehen, staunend die Höhe der Kautionen zu vermerken. Verzweifelt die wertlosen Zertifikate in der heimischen Schublade zu zählen. Sich reuig der alten Sparbücher der winzigen Schnittling-Bank zu erinnern.
    Hin und wieder wurde Goutzimsky von Händlern, Restaurants oder Zeitschriften zu Weinverkostungen eingeladen. Etwa ins Giacomos.
    „So ein Zufall“, sagte er, „ausgerechnet morgen haben wir hier eine tolle Verkostung. Weine aus Montalcino. Brunelli und normale Rossi. Und ich werde einen Gast mitbringen, ihr werdet staunen.“
    „Schlürf, schmatz“, sagte Himmel, ganz konnte er von der Sprache des Boulevards nicht lassen, „Brunello, ich hoffe, ein anständiger Jahrgang.“
    „Mehrere anständige Jahrgänge“, lächelte der Kommerzialrat.
    „Da werde ich morgen nochmals vorbeischauen müssen“, sagte Himmel.
    „Das kann ich jedem von euch nur raten. Ich habe schon mal kurz die Weine überprüft. Das Feinste vom Feinen“, sagte Goutzimsky.
    „Kommst du auch, commentatore ?“ Und er sah dabei mich an.
    „Natürlich komme ich, wo ich den Brunello doch beinahe erfunden habe, zumindest für Wien. Gib es ruhig zu, ich war der Erste, der dir damals in deinem Geschäft eine sündteure Flasche von Biondi-Santi abgekauft hat“, erwiderte ich.
    „Erfunden, gefunden, entdeckt habe ich ihn“, sagte Goutzimsky in seiner ruhigen Art, und er hatte recht. Ich hatte ihn erst in seinem Laden entdeckt, er auf den Hügeln und in den Tälern von Montalcino.
    „Übrigens“, und Goutzimsky sagte es in einem verschwörerischen Tonfall, „der Gast kommt vom Weingut Mascarello. Es ist die Tochter.“
    Himmel sah ihn an: „Wie alt? Wie hübsch?“
    „Deine Sorgen …“, sagte Goutzimsky, „… für dich jedenfalls zu alt und zu hübsch. Eine Italienerin eben. Italienerinnen sind immer schön, und Töchter von Weinbauern besonders.“
    „Du trinkst sie dir schön?“, fragte Himmel.
    „Niemals“, sagte Goutzimsky, „die sind von Haus aus schön. Wahrscheinlich liegt’s am Wein, den sie von klein auf trinken.“ Er lachte.
    „Ich kenne nur den Mascarello aus dem Piemont, der macht meinen Lieblings-Barolo. Sind die verwandt miteinander?“, wollte ich wissen.
    „Nein, so weit ich weiß nicht einmal entfernt. Das einzige Gemeinsame ist …“, Goutzimsky senkte die Stimme, als ob es nun unanständig werden würde, „… beide sind Kommunisten. Waren im Widerstand, also die Väter. Und beide schreiben auf ihre Flaschen den Spruch ,no barrique no Berlusconi‘, seit dieser unglückselige Berlusconi an der Macht ist.“
    „Eine Flasche Mascarello-Barolo mit dieser Aufschrift habe ich im Keller“, sagte ich. „Aber ein Mascarello, der Brunello macht, ist mir wirklich neu.“
    „Meine Entdeckung“, sagte Goutzimsky stolz. „Das ist ein ganz kleines Weingut, aber beste Lage. Der macht so wenig Wein, der ist schon durch seine Stammkunden und ein paar Spitzenrestaurants am Lago Maggiore ausverkauft. Ich bekomme von jeder Ernte genau zwölf Flaschen Rosso und zwölf Flaschen Brunello. Und wenn Federico alle paar Jahre eine Riserva macht, bekomme ich sechs Flaschen. Ich habe sie gar nicht in den Laden gestellt, sondern nur an ein paar Kenner verkauft.“
    „Und wieso hast du mir nie eine Flasche gegeben?“, fragte ich.
    „Wer zu spät kommt, den straft die Geschichte, mein Lieber“, sagte Goutzimsky. „Aber ich hab dich auf der Liste, wenn ein älterer Abnehmer ausfällt, wärst du der Nächste. Ich bekomme mein Kontingent übrigens noch immer, jetzt an meine Privatadresse, seit ich nicht mehr im Geschäft bin. Den Schnittling will er nicht beliefern, hat Federico gesagt. Und seine Tochter, die nächstes Jahr übernehmen soll, hält es genauso. Hat sie mir schon versprochen.“
    „Und fällt dann die eine oder andere Flasche für mich ab?“, wollte ich wissen.
    „Ich denke schon“, sagte Goutzimsky, „es fällt sicher wer aus. Aber komm zuerst einmal morgen zur Verkostung.

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