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Der Glanz der Welt

Der Glanz der Welt

Titel: Der Glanz der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Amon
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Bergsteiger für diese unheimliche Flüssigkeit geworben. Entlang der Autobahnraststätten und an den Grenzen standen Pappfiguren in voller Klettermontur und Lebensgröße und sollten die heimkehrenden Deutschen dazu anregen, die leeren Stellen in den Kofferräumen mit 80%-Inländer-Rum-Flaschen zu füllen. Wahrscheinlich glaubten die, dass einen der Rum hinauf auf die Berggipfel treibt, ohne dass man Atemhilfe braucht. Beim Trinken bleibt einem nämlich die Luft weg, man kann nicht atmen und braucht folglich keinen Sauerstoff.
    „Ja, das ist das ganze Geheimnis. Eine Flasche Inländer-Rum statt fünf Flaschen Sauerstoff! Dann kommst auf jeden Berg“, sagte Pirchmoser.
    „Und wie hoch kommt man mit dem Enzian?“, wollte Himmel wissen.
    „Nicht der Rede wert“, sagte Pirchmoser und dachte nach: „Großglockner müsste sich ausgehen, Montblanc, na ja, eher nicht mehr.“ Er lachte wieder hinter seinem Bart hervor und hob sein Stamperl. Wir taten es ihm nach.
    „Auf die Kaution. Möge sie verfallen und der Schnittling auf der Flucht erwischt werden!“, sagte Pirchmoser.
    „Möge der Schnittling auf der Flucht erwischt werden“, wiederholten wir alle. Dann kippten fünf Hände fünf Stamperln mit Enzian in fünf Münder. Wir erstarrten zu fünf Salzsäulen. Einige Sekunden war es völlig still, selbst die Fliegen hielten den Atem an, dann hörte man, wie fünf Männer kräftig Luft in ihre Lungen sogen und dabei verschiedene „Ohs“, „Ahs“ und „Pffffs“ von sich gaben. Bei unserem Ausatmen atmeten die Fliegen wieder ein, erwischten so unsere Abluft und fielen tot auf die Tischplatte. Nein, natürlich nicht, nicht hier im Giacomos. Aber in den Tiroler Bergen, auf einer Tiroler Hütte, da war das so, da starben die Fliegen wie die Fliegen, wenn die Enziantrinker ausatmeten.
    „Das kann ich beschwören“, pflegte Pirchmoser zu sagen. Und wir wollten es nicht überprüfen. Am schönsten sind jene Legenden, die man leichten Herzens und reiner Seele glaubt. Diese war eine solche.
    Kardinal, Komplott und hundert Eier
    Pirchmosers Handy läutete. Er blickte aufs Display. „Scheiße“, fluchte er, „das Ministerbüro.“ Er hob ab. „Pirchmoser“, brummte er und verstummte.
    „Ja, wenn Sie meinen, nein, ich doch nicht, niemals“, schüttelte Pirchmoser den Kopf, „wo denken Sie hin! Ja, natürlich. Empfehle mich.“ Pirchmoser drückte auf die Taste für „Gespräch beenden“ und vergewisserte sich, dass das Gespräch wirklich beendet war: „Vollkoffer. Der Boss vom Büro für intrigante, wollte sagen für interne Angelegenheiten persönlich. Ich bin vom Fall Schnittling abgezogen und soll mich ausschließlich um diesen blöden Mordfall kümmern.“
    „Welchen denn?“, fragte Himmel.
    „Na, deine Schlagzeile von letztens. Der Tote vom Dom.“
    „Und warum?“, wollte ich wissen.
    „Weil ich den Schnittling nicht verhaften hätte dürfen.“
    „Du hattest doch einen Haftbefehl, oder?“, fragte ich.
    „Natürlich, aber ich habe mir den gegen die Anweisungen besorgt. Jetzt toben die da oben.“
    Himmel war ebenfalls neugierig geworden: „Warum wollen die den Schnittling schützen, commissario ? Der kann ihnen doch egal sein.“
    „Es geht um den Grapschmann, und eigentlich ist das überhaupt ein riesiges Komplott.“ Pirchmoser sah uns traurig an: „Und ich werde es nie beweisen können.“
    „Komplott?“, fragte Himmel. „Komplotte mag ich, die geben was her. Schlagzeilenmäßig geht nichts über eine ordentliche Bluttat oder ein Komplott. Blutrot und Druckerschwärze, die sind ein Dreamteam. Und von einem ordentlichen Komplott kann man journalistisch jahrelang leben. Also erzähl!“
    Pirchmoser winkte mit einer resignierten Handbewegung ab: „Den Teufel werde ich. Ich habe schon so genug Schwierigkeiten. Lasst die Hände davon, das ist wirklich eine heiße Sache. Zu heiß, sogar für dich, sensazione !“
    „Heißt das, du gibst auf?“, fragte ich.
    „Weiß nicht“, sagte Pirchmoser, „mal abwarten, wie die Dinge sich entwickeln.“
    Ich verriet mit keiner Miene, dass ich die Komplott-Theorie längst kannte. Was heißt Theorie? Allen Gerüchten zufolge, die ich kannte, und es waren gut fundierte Gerüchte, war das ein geradezu mustergültiges Komplott. Aus dem Komplotthandbuch sozusagen. Einer meiner Kontaktmänner zu den bereits erwähnten öffentlich tätigen ausländischenInstitutionen der öffentlichen Hand hatte mich schon Anfang des Jahres danach gefragt. Genauer gesagt:

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