Der Glanz der Welt
Diabetikerin war, war das tödlich. Aber ich verstehe es trotzdem nicht: Wozu der Hinweis auf die Tötungsart? Spätestens bei der Obduktion kommen wir dahinter, wie man sie umgebracht hat. Der Täter hat sich schließlich auch sonst keine Mühe gegeben, das nicht als Mord darzustellen. Im Gegenteil.“ Pirchmoser war ratlos.
„Das verstehe ich auch nicht. Da hat halt einer besonders genau arbeiten wollen. Eine große Inszenierung“, sagte ich.
„Ich weiß nicht“, warf Himmel ein, „vielleicht haben die beiden Morde überhaupt nichts miteinander zu tun.“
„Nein“, sagte Pirchmoser, „unwahrscheinlich. Beide Schauspieler, beide beim selben Verein, da glaube ich an keine Zufälle. Es muss irgendeine Verbindung zwischen der Hübner und dem Grapschmann geben, die ich noch nicht gefunden habe. Und ich muss den Sinn der Inszenierung verstehen.“
„Möglicherweise wirst du nie eine Verbindung zwischen der Hübner und dem Grapschmann finden, weil es keine gibt“,sagte ich, „vielleicht gibt es neben der Vereinszugehörigkeit noch einen anderen Zusammenhang zwischen dem Bein und der Hübner. Kann sein, dass sie indirekt in der Grapschmann-Sache mit drinhängt. Vielleicht hat sie geholfen, irgendwo ein Konto zu eröffnen, oder sie hat selbst mal einen Koffer transportiert. Sie muss Geld gebraucht haben, die war doch seit ewigen Zeiten in keinem Engagement mehr.“
„Die hat kein Geld gebraucht“, sagte Pirchmoser, „die hat so viel geerbt, die hätte noch zweihundert Jahre vom Erbe leben können, und zwar in Saus und Braus. Nein, die einzige Verbindung zum Grapschmann ist der Bein, und der ist gleichzeitig die Verbindung zum Schnittling, denn für den hat er zuletzt gearbeitet. Aber das ist ja nicht neu für euch.“
Das war tatsächlich keine Neuigkeit.
„Und wozu hätten die denn die Hübner gebraucht“, dachte ich laut nach, „Konto eröffnen, das konnte der Bein als Schnittling-Mitarbeiter viel leichter. Der ist dauernd in der Welt herumgeflogen. Und das Schwarzgeld herumtragen, das konnte er auch besser. Soweit ich weiß, hat der Schnittling ihm einen Diplomatenpass verschafft.“
„Das ist mir neu, davon steht nichts in den Akten“, sagte Pirchmoser. „Stimmt das?“
„Ja“, sagte ich, „der Schnittling ist Honorarkonsul von so einem afrikanischen Operettenstaat. Und die haben dem Bein einen Diplomatenpass gegeben. Der konnte mit dem Schwarzgeldköfferchen unkontrolliert auf der ganzen Welt herumkurven. Besser geht es nicht. Dass er aufgeflogen ist, war ein echter Betriebsunfall. Außerdem weiß ich, dass der Schnittling auch ein paar UNO-Diplomaten auf seiner Lohnliste stehen hat.“
„Wo hast du das her?“ Pirchmoser war sehr interessiert.
„Ein Vögelchen hat mir das gesungen“, sagte ich.
„Und hat das Vögelchen einen Namen?“, fragte Pirchmoser.
„Einen Namen hat es schon, sogar mehrere, aber ich werde dir keinen davon verraten, so wahr mich manche il agente nennen.“
In diesem Kreis war bekannt, dass ich gute Kontakte zu einigen Geheimdiensten hatte. Als Belohnung für meine politischen Einschätzungen zur Lage im Land, zu Politikern und Parteien bekam ich die eine oder andere Information, was Leute wie Grapschmann oder Schnittling im Ausland anstellten. Man sah gerade dem Schnittling ziemlich genau auf die Finger, da man ihn verdächtigte, dass seine Bank mit ihrem Apparat im Zentrum weltweiter Geldwäscheaktivitäten stand. Er machte so viele Geschäfte, dass ihm alle misstrauten: die Amis, die Russen und die Chinesen. In der Fülle der Geschäfte konnte niemand unterscheiden, was davon Luftgeschäfte waren, was real, was Geldwäsche. Von dieser Undeutlichkeit lebte er. Und Grapschmann hatte er für den inländischen Markt engagiert, damit er das ungläubige Publikum in eine gläubige Käuferschaft der wertlosen Schnittling-Papiere verwandelte. Aus irgendeinem merkwürdigen Grund war es Grapschmann gelungen, sich insbesondere den kleinen Gewerbetreibenden als Messias anzudienen. Aber der Mann war kein Messias, sondern nur ein geldgieriger Blender mit einem Hormonüberschuss, den er an seiner angetrauten Millionenerbin Fifi abarbeitete.
„Ich habe das Gefühl, der Bein ist der Schlüssel zum gesamten Fragenkomplex der Pleite der Werk-Bank und der dabei angeblich verspekulierten Milliarden. Aber mir wurde ausdrücklich verboten, in diese Richtung zu ermitteln. Für das Ministerium ist das eine Intrige im Schauspielermilieu oder ein irrer Serienmörder, der es auf
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