Der Glanz der Welt
eine Bannbulle! Mir fiele überhaupt noch viel mehr ein, aber ich muss Rücksicht nehmen auf deinen Status als geistlicher Herr.“
„Idiot“, entfuhr es dem Kardinal, und er schob schnell nach: „Der Herr vergebe mir meinen Unmut.“
„Dieses Ansuchen kann ich nur unterstützen. So gefällst du mir gleich viel besser. Ich bin sicher, Gott hat mich nur auf die Erde geschickt, um dich zu prüfen, um dir ein gottgefälligesLeben zu ermöglichen. Wie erhebend muss es für dich sein, einen armen, unverbesserlichen Sünder wie mich durchs Leben begleiten zu dürfen. Es macht nicht nur dein Leben spannender, es erspart dir auch unzählige Jahre im Fegefeuer.“
„Wenn ich könnte, würde ich lieber ein paar Jahre Fegefeuer anhängen, als dauernd deine Kommentare zuerst in die Zeitung zu drücken und dann auch noch lesen zu müssen. Die Telefonanrufe nach dem Abdruck deiner Ergüsse“, sagte der Kardinal, „die treiben mich an den Rand des Wahnsinns. Die Kollegen in der Bischofskonferenz sind stocksauer.“
„Und stockkonservativ, denen müsste meine Moralpredigt doch gefallen. Du wirst darüber hinwegkommen“, sagte ich, „kann ich sonst noch etwas für dich tun?“
„Christliche Demut verbietet mir, dir darauf eine entsprechende Antwort zu geben“, sagte er und legte auf, ohne sich zu verabschieden oder mir seinen Segen auf meine weiteren Wege mitzugeben. Er war offenbar wirklich wütend.
Alle sahen mich fragend an. „Es gibt nichts zu erzählen. Der Schefredaktör ist wütend und nervt den Kardinal. Und deshalb ist il cardinale wütend, weshalb er wiederum mich nervt. Damit muss man leben. Die Summe aller Laster ist schließlich gleich, und trinken tut il cardinale auch nicht viel … Also, was bleibt da noch zum Triebabbau … Menschen sind wir alle.“
„Wie geht es weiter?“, fragte Himmel.
„Keine Ahnung“, sagte Pirchmoser, „ich werde versuchen, irgendeine Verbindung zwischen der Hübner und dem Grapschmann oder dem Schnittling zu finden. Wenn die beiden Morde zusammenhängen, dann ist das die Connection.“
„Ich werde mich umhören“, sagte ich, „das Vogerl hat versprochen, gezielt nach ein paar Informationen zu suchen. Dann werden wir weitersehen.“
Giuseppe brachte eine große Schüssel Tiramisu, legte fünf große Löffel auf den Tisch und stellte fünf kleine Schüsseln daneben. Leider ist Tiramisu im Normalfall zu einer ungenießbaren, fettig-süßen und alkoholischen Industriepampe verkommen. Aber das Tiramisu von Giuseppe zählte zu den großen Desserts der Kulinarik. Das Geheimnis war einfach: die besten Zutaten der Welt. Biskotten von Manner, der Espresso von Izzo, frische Eier von einem privaten Kleintierzüchter mit Garten in Floridsdorf, der Mascarpone handwerklich hergestellt von einem Kleinbauern aus der Lombardei, trockener Marsala von Pelligrini, Kakaopulver von Domori. Und das Wichtigste: der Abrieb einer unbehandelten Biozitrone aus Sizilien, direkt aus dem Garten einer entfernten Verwandten Giuseppes. Selbstbeherrschung hat Grenzen, im Falle von Giuseppes Tiramisu sind diese Grenzen gänzlich aufgehoben. Wir füllten unsere Schüsselchen wie im Rausch. Innerhalb von zehn Minuten war der ganze riesige Topf geleert, und wir hingen bewegungsunfähig in unseren Sesseln.
Da half nur mehr Grappa.
„Mein liebster Grappa“, sagte Giuseppe und stellte uns eine Flasche Grappa auf den Tisch, gebrannt aus der Maische des großartigen Rubesco-Rotweins von Lungarotti. „Ist wie Zähneputzen!“
Goutzimsky nickte: „Besser als jede Zahnpasta, ideal gleich nach dem Aufstehen, wenn nicht der Alkohol wäre.“
Das übliche Ritual. Fünf Gläser, um diese Zeit trank Giuseppe ganz sicher nicht mit, was man verstehen konnte, sein Tag war noch lang. Fünf Mal gefüllt. Fünf Mal in einem Schluck geleert. Kein Magen knurrte mehr. Und auch der Druck ließ nach. Chiara und ich hielten Händchen unter dem Tisch. Wie dumm von uns. Jeder, der genauer hinblickte,konnte es sehen. Aber niemand sah hin. Mein Herz knurrte nicht mehr. Nun wurde es erst richtig kompliziert. Obwohl Liebe das Einfachste war auf der Welt. Das Ganze war das Halbe. Das Halbe war die Wahrheit. Geteilt durch zwei gibt ein Viertel. Aber das ist schon wieder höhere Mathematik. Die Liebe ist halt doch kompliziert.
Left shoe shuffle, right shoe muffle,
sinking in the sand.
8. KAPITEL | Pferde, Leberkäse und Agenten
Du hältst erschrocken inne.
Kein Wiener, der auf sich hält, fährt mit dem Fiaker. Also bist
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