Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Glanz der Welt

Der Glanz der Welt

Titel: Der Glanz der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Amon
Vom Netzwerk:
Pirchmoser ging es wirklich nicht gut.
    „Breit genug wäre er, dein Buckel“, sagte ich.
    „Ich kann nicht lachen“, Pirchmoser war wütend, „ich habe eine Sauwut. Korinthenkacker, ach was, Rosinenscheißer.“
    Wenn Pirchmoser fluchte, war es unangenehm. Wenn er mit norddeutschen Redewendungen fluchte, war es sehr unangenehm. Wenn er aber norddeutsch begann und die Schimpfkanonade dann sofort in das heimische Idiom rückübersetzte, dann stand er kurz vor dem Platzen.
    „Ich soll die Schauspielermorde möglichst bald klären, darf aber weder Schnittling noch Grapschmann mit Fragen belästigen. Der Herr Staatsanwalt will das nicht. Der Herr Polizeipräsident will das auch nicht. Und die alle wollen es nicht, weil es die Frau Minister nicht will.“
    „Und die wiederum“, warf ich ein, „will es nicht, weil der Grapschmann es nicht will.“
    „Oder die Partei.“ Pirchmoser schlug mit der Faust geräuschvoll auf den Tisch, die Gläser klirrten, die Köpfe an den Nebentischen drehten sich in unsere Richtung. „Alles eine einzige Kungelrunde, so eine Packlraß.“
    Er stimmte leise den Refrain eines bekannten Wienerlieds an:
    „Wenn der Herrgott net will, nutzt es gar nix,
    Schrei net rum, bleib schön stumm, sag es war nix.“
    Er verstummte, und wir sahen ihn verdattert an. „Ja, so ist das“, sagte Pirchmoser, „so wollen die hohen Herrschaften es haben. Deckel drüber, lieber Pirchmoser, Akte zu und abhaken, sag, es war nix. Und immer schön stumm bleiben.“
    „Dir können sie das anschaffen“, sagte ich, „aber mir nicht. Mir haben die nichts zu sagen. Also, erzähl lieber, was du weißt, und lass uns machen.“ Damit meinte ich mich und Himmel, der mir sofort beipflichtete: „So isses.“
    „Ihr stellt euch das ein bisserl einfach vor. Das sind mächtige Leute. Ich weiß nicht, wie und ob die Mordfälle etwas mit denen zu tun haben. Man muss doch wenigstens danach fragen dürfen. Aber unsere Justiz ist so was von am Arsch, das kann man nicht beschreiben. Den Chef der Werk-Bank lassen sie dunsten, bis er innen nicht mehr rosa und zart ist, sondern richtig unschön hart und durchgekocht. Und der Schmock, der das Geld in Wirklichkeit unterschlagen hat, der läuft frei herum, segelt mit dem Grapschmann rein zufällig auf der Schnittling-Yacht durchs Mittelmeer. Und niemand schert sich drum. Den Schnittling dürfen wir der Form halber alle paar Monate für eine Nacht in U-Haft nehmen, damit alle glauben, wir verfolgen jeden ohne Nachsicht. Ich habe genug. Ich geh zurück nach Tirol. Ich gehe in die Berge, werde Hüttenwirt und brenne Enzian, siebzigprozentigen Enzian. Und wenn so ein beschissener Politiker, Staatsanwalt oderPolizeipräsident sich auf meine Alm verirrt, flöß’ ich ihm Enzian ein, bis er ihm aus allen Poren tropft. Ich werde in die Lehrbücher der Kriminologie eingehen als der Enzianmörder von der Gutpichl-Alm; nicht als Abteilungsinspektor Pirchmoser, sondern als Erfinder der Enzianfolter. Meine Opfer werden sie im Museum der Rechtsmedizin in Formalin eingelegt ausstellen. Links der Herr Staatsanwalt Kriecher, rechts der Herr Polizeipräsident und in der Mitte, ein besonders gelungenes Präparat, die Paragraphen-Mizzi mit schimmerlosem Glitzerhandy, die unfähigste Justizministerin aller Zeiten. Aber man lässt mich ja nicht …“
    Pirchmoser hatte sich in Rage geredet, jetzt sank er erschöpft in den Sessel. Oder war es resigniert?
    „Von mir aus, geh auf die Alm“, sagte Himmel, „aber vorher, vorher plauderst du gefälligst aus der Schule. Du wirst doch noch in der Lage sein, den elektronischen Akt auf einen USB-Stick herunterzuladen und uns den in die Hand zu drücken.“
    „Und dann bist du aufgewacht, gell“, sagte Pirchmoser, „elektronischer Akt! So ein Quatsch. Bei uns stapelt sich das Papier. So blöd sind die auch wieder nicht, elektronische Akten einzuführen. Kopier einmal hunderttausend Seiten. Da fällst sofort auf, schon allein wegen der Papierlieferungen.“
    „Es reicht, wenn du erzählst, was du weißt“, ließ Himmel nicht locker. „Ich brauche keine Beweise, ich bin nicht das Gericht. Mir genügen ein paar gute Hinweise, zwei, drei Zusammenhänge, schon wird ein klarer Fall daraus. Und statt einer Schlagzeile schreibe ich oben drüber: Unschuldsvermutungen.“
    „Wenn dein Chef dich lässt, und die Überschrift, die schenkst du mir, bitte.“ Mein Einwand war berechtigt. Denn aus irgendeinem Grund hatte der Chef vom Himmel einen Narren am

Weitere Kostenlose Bücher